Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Zielen diente. Sie
durfte ihm nicht glauben, ohne die Sache in allen Einzelheiten untersucht zu haben. »Wie kann ich
mich von der Wahrheit überzeugen?«
Vielleicht weiß Chronos es.
»Chronos!« rief Niobe empört. »Der will doch nur...«
Das ist eine Halbwahrheit.
»Eine Hälfte davon gebt ihr also zu?« verlangte Niobe zu wissen.
Lachesis seufzte. Satan hat deinen Geist vergiftet, du mußt dich davon reinigen. Begib dich zu
Chronos, fordere ihn heraus. Wir werden so lange schweigen, bis du uns ansprichst.
Das war natürlich die Antwort. Chronos war der Schlüssel zum Ganzen. Also kehrte sie in ihr Heim
zurück, legte das neugewonnene Garn ab und machte sich entlang des Fadens, der zum Haus des
Chronos führte, auf den Weg. Endlich gelangte sie ans Ziel. Sie hatte erfahren, daß sich die Zeit
umkehrte, wenn jemand in Chronos' Heim trat, so daß sie tatsächlich fortgehen würde, bevor sie
angekommen war.
Diesen Aspekt der Sache fand sie faszinierend.
Die Zeitumkehrung trat ein, damit man ungehindert mit Chronos sprechen konnte, denn sonst wäre
eine Unterhaltung nicht möglich gewesen.
Sie klopfte an die Tür und wurde sofort eingelassen. Chronos kam ihr entgegen, einen reinen
weißen Umhang tragend. Lächelnd trat er auf sie zu, nahm sie in die Arme und küßte sie.
Niobe war so überrascht, daß sie für einen Augenblick völlig erstarrte, dann faßte sie sich
wieder, riß den Kopf zurück, hob den Arm und gab ihm eine kräftige Ohrfeige. »Was fällt dir ein,
so etwas zu tun?« schrie sie.
Er ließ sie los, ein Ausdruck des Erstaunens lag auf seinem Gesicht. »Warum, Clotho... was ist
denn passiert?«
»Was passiert ist?« erwiderte sie wütend. »Du hast mich gerade gepackt und geküßt!«
»Aber natürlich! Das habe ich doch schon immer getan, hier zu Hause.«
»Schon immer getan!« kreischte sie. »Dann stimmt es also!«
Nun begann er langsam zu begreifen. »Die Zeit... beginnst du gerade mit deinem Zyklus?«
»Mit meinem was?«
»Hast du gerade erst dein Amt angetreten? Als Clotho?«
»Natürlich habe ich das, wie du sehr wohl weißt! Und wenn du glaubst, daß ich...«
»Aber ich weiß es doch keineswegs«, protestierte er. »Das liegt für mich in der Zukunft,
und du hast mir nie mitgeteilt, wann du genau...«
Weil er rückwärts lebte. Nun begriff sie. »Du... du kannst ja gar nicht Teil des Komplotts
gewesen sein, weil es für dich... weil es für dich noch gar nicht stattgefunden hat!«
»Ich werde niemals an einer Verschwörung gegen dich teilnehmen, Clotho«, sagte er. »Ich liebe
dich.«
Sie hatte ein Gefühl, als würde eine dämonische Hand ihr Herz zermalmen. Sie schwankte und sank
auf ein Sofa. Es war wahr, sie würde eine Affäre mit diesem Mann haben, den sie nicht kannte und
ganz bestimmt nicht liebte!
»Ach, Clotho«, sagte er. »Mir war gar nicht klar, was los ist. Du hast es ja noch nie getan.
Du... erinnerst dich nicht. Hätte ich es begriffen... es tut mir leid. Ich hätte es wissen
müssen. Vor langer Zeit hast du mir gesagt, wann du geboren wurdest. Ich hatte es vergessen.
Entschuldige bitte...«
»Woran erinnerst du dich?« fragte Niobe matt.
Er nahm ihr gegenüber Platz. »Als ich mein Amt antrat, was aus deiner Sicht in fünfunddreißig
Jahren der Fall sein wird, hat mich alles verwirrt. Ich wußte nicht, was ich tun sollte, auch
nicht, wie - sogar die Sanduhr war für mich ein völliges Rätsel. Aber dann bist du in deinen drei
Verkleidungen zu mir gekommen, hast dich um mich gekümmert und mir alles beigebracht. Es war, als
hättest du mich die ganze Zeit schon gekannt, obwohl wir einander noch nie begegnet waren. Du
hast soviel für mich getan, ich war so dankbar, und dann hast du...«
Er brach ab und vergrub das Gesicht in den Händen. »Ach, Clotho! Jetzt ist es vorbei, und das so
plötzlich! Ich verdanke dir soviel, und du wirst mir so sehr fehlen!«
Plötzlich erinnerte er sie an Cedric zu Beginn ihrer Ehe. So einsam und unfähig mit der Situation
zurechtzukommen, von der er doch wußte, daß er sie nicht ändern konnte. In ihrer Naivität und
Gefühllosigkeit hatte sie sein Problem nur noch verschlimmert. Wie sehr sie dies jetzt
bedauerte!
Die Ungeheuerlichkeit von Satans Lüge kam nun ans Licht: Chronos hatte sich niemals gegen sie
verschworen, ja konnte es niemals tun.
Sie hatte ihre Romanze begonnen - fünfunddreißig Jahre in der Zukunft. Und nun machte sie ihn dafür verantwortlich!
Wenn sie zu Beginn ihrer Ehe gewußt hätte, was werden
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