Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Arbeit erledigt, und
das System wird abgestellt.«
Niobe war entsetzt. »Das ganze... Leben... nur ein... nur ein Labor, um das Material der Leere zu
klassifizieren?«
»In der Tat. Ist das nicht schön? Genau wie du, Süße. Am Tage der Endabrechnung werden wir
endlich wissen, wer gesiegt hat, Gott oder Satan.
Dann entscheidet die Punktebilanz.«
»Was tue ich dann hier?« fragte sie, ihr schwindelte.
»Du setzt die Prüfsequenz in Bewegung, mein Honigmäulchen«, sagte Satan. »Du holst einen weiteren
Löffel voll Chaos aus dem Nichts. Das ist eine gute und notwendige Aufgabe. Doch in deinem
Lebensfaden ist Böses enthalten, wäre dem nicht so, brauchten wir das Leben gar nicht
erst.«
»Nun, die Inkarnationen sind, aber nicht böse!« beharrte sie. »Du hast selbst gesagt, daß diese
Aufgabe, die ich hier erfülle, gut ist.«
»Die Aufgabe ist gut, das ist sicher, mein Püppchen. Aber die Inkarnationen sind menschlich und
das bedeutet, unvollkommen. Sie haben menschliche Ziele, Schwächen und Gelüste.«
»Gelüste!« rief sie zornig. »Wovon redest du überhaupt?«
»Ich bin ja so froh, daß du mich fragst, meine Teuerste.«
Inzwischen bewegten sie sich durch die Radnabe, und die Inkarnation des Bösen schwebte immer noch
wie ein Geist vor ihr her. Satan wurde immer deutlicher und auf gespenstische Weise vertrauter.
»Tatsächlich kennen die Inkarnationen Gelüste! Gelegentlich geben sie sich ihnen mit Sterblichen
hin, aber das ist recht problematisch. Du mußt verstehen, meine Kleine, daß die Inkarnationen
physisch nicht altern Sterbliche dagegen wohl. Es ist äußerst schwierig für eine Inkarnation,
eine Beziehung mit jemandem aufrechtzuerhalten, der ständig älter wird. Deshalb ist es besser,
sie mit jemandem der eigenen Art zu suchen.«
Niobe dachte daran, daß sie selbst ja auch noch immer um Cedric trauerte und Satan böse war, weil
er daran die Schuld trug. Vieles von dem, was er ihr erzählte, war wahr, das wußte sie aus
eigener Erfahrung: Den Inkarnationen hafteten tatsächlich noch immer menschliche Leidenschaften
an.
»Leider, mein Liebling«, fuhr Satan erbarmungslos fort, »gibt es nur wenige Inkarnationen, und
die meisten von ihnen sind männlich.«
»Chronos, Thanatos und Mars«, erwiderte Niobe knapp.
»Und du.«
»Das sind die Hauptinkarnationen. Manche würden Gott auch zu den männlichen zählen, wenngleich
das nicht wirklich von Bedeutung ist. Gott ist sterblichen Leidenschaften gegenüber
unempfindlich, mit Ausnahme der Macht.«
»Die Hauptinkarnationen? Es gibt also auch noch andere?« Zwar versuchte sie noch immer, ihn zu
ignorieren, doch ebenso beharrlich nutzte er ihre Neugier aus.
»Hast du das gar nicht gewußt, Honigbiene? Da gibt es noch Hypnos, der für den Schlaf zuständig
ist, und Eros, der ist zuständig für...«
»Lassen wir das. Worauf willst du hinaus?«
»Worauf ich hinaus will, holdes Wesen, ist die Tatsache, daß es einen äußerst schmerzlichen
Mangel von jungem Fleisch unter den Inkarnationen gibt. Gäa kann natürlich jede beliebige Form
annehmen, und sie kann tatsächlich ein äußerst lustvolles Mädchen sein, doch fehlt ihr jene
Eigenschaft, welche die meisten Männer an Frauen am höchsten schätzen.«
Er hielt inne, wie um ihre Frage zu provozieren und Niobe hing auch schon an der Angel. Sie mußte
einfach fragen.
»Welche Eigenschaft ist das?«
»Die Unschuld«, meinte er knapp.
Niobe dachte darüber nach. Ihr fiel nur ein einziges einigermaßen unschuldiges weibliches Wesen
im Fegefeuer ein das jüngste. Nämlich sie selbst. »Du willst doch nicht etwa sagen...«
»Denk doch nur mal an Chronos, meine Liebe«, warf Satan ein. »Der lebt rückwärts, er erinnert
sich an die Zukunft und kennt die Vergangenheit nicht. Für ihn wäre eine Verbindung mit einer
sterblichen Frau gewissermaßen die Hölle, wenn du diesen Ausdruck entschuldigen würdest. Solche
Frauen verstehen ihn einfach nicht.«
»Aber er kann doch die Zeit umkehren, damit sie parallel zu seiner...«
»Nur über kurze Abschnitte hinweg, Süße, nicht auf Dauer. Was wiederum bedeutet, daß er, wenn er
einmal in der Woche ein Verhältnis ohne Ärger haben will, zunächst eine Frau finden muß, die
seine Situation versteht und bereit ist, sich damit abzufinden. Das bedeutet wiederum eine andere
Inkarnation. Entweder Gäa oder...« Wieder machte er eine Kunstpause.
»Willst du damit etwa sage, daß ich...?« fragte sie empört. Wieder mußte sie daran denken,
wie
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