Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Ertrinkende.
»Und es hat ja auch wunderbar funktioniert, wie du sehr gut weißt, mein Prachtstück.
Nun befindet sich die begehrenswerteste und unschuldigste junge Frau auf Erden im Fegefeuer und
ist bereit, ihren Dienst anzutreten. Schon jetzt beginnen die Inkarnationen damit, um deine Gunst
zu buhlen. Ich selbst hätte es kaum besser machen können, aber ich bin ja ohnehin ein Experte für
derartiges Böses, per definitionem. Ich empfehle dir, daß du es dir bequem machst und die Sache
genießt, mein Herzchen.«
»Es mir bequem machen, zum Teufel damit!« schrie sie.
Satan lächelte. »Ganz genau.«
Sie musterte ihn noch eindringlicher. Während sie weitergegangen waren, hatte sich sein Umriß
verstärkt, und nun, am Rande des Waldes, war er endlich zu erkennen. Er hatte Cedrics Gestalt
angenommen.
»Du widerlicher Dreckskerl!« schrie sie und versuchte, ihn gegen einen Baum zu schleudern.
»Du hast kein Recht, zu... zu...«
Er packte ihre Hand.
»Soll ich dir einen Kuß geben, Süßmäulchen?« fragte er mit Cedrics Stimme. »Ich finde dich auch
begehrenswert, und ich kann dich vergessen machen, was...«
Sie schlug mit dem Spinnrocken nach ihm, auf dem sie ihren Faden wieder aufgespult hatte. Er
duckte sich, und der Faden sprang hervor und verhedderte sich um ihn. »Verschwinde, verschwinde!«
kreischte sie.
Satan nahm seine normale Gestalt an und seufzte. »Vielleicht ein anderes Mal, wenn du richtig
eingearbeitet worden bist.« Er verblaßte und ließ sie mit ihrem Fadenwirrwarr zurück.
Niobe stand da und weinte vor Wut und vor Trauer.
Verdammter Satan!
Er hatte ihre vielversprechende neue Existenz in einen Aufruhr heftigster Gefühle
verwandelt.
Doch nach einer Weile brachte sie soviel Zynismus auf, wie sie nur konnte. Sie entwirrte die
Fäden, verwob ihre Enden miteinander und setzte ihren Rückweg fort. Sie war kein Spielzeug des
Schicksals sie besaß freien Willen und konnte ihr Amt niederlegen, wenn sie es wollte. Man hatte
ihr erklärt, daß jede Inkarnation, vielleicht mit Ausnahme von Chronos, erst eine Probezeit
absolvieren mußte. Danach wurde das Amt ihr auf unbestimmte Zeit verliehen, wenn sie geeignet
war. Sie würde sich selbst einfach für ungeeignet erklären und in die Sterblichkeit zurückkehren.
Gewiß würde sie nicht in dieser... dieser Funktion dienen, die man von ihr erwartete!
Langsam begannen die Tränen auf ihrem Antlitz zu trocknen. Welch einer monströsen Verschwörung
war sie doch zum Opfer gefallen! Allein der Gedanke, daß Cedric hatte sterben müssen, damit sie
zur Verfügung stand...
So kehrte sie in die geordnete Wirklichkeit zurück und sie war kein bißchen erfreut.
Was ist los, Clotho?
Sie waren wieder dort! »Das solltet ihr doch wissen, ihr Heuchlerinnen!« platzte sie
heraus.
Als Antwort erhielt sie einen erstaunten Gedanken. Warum sagst du das?
Niobe brachte einen wahren Schwall von Gründen dafür hervor.
Warte! Warte! Das können wir nicht alles auf einmal verdauen!
Wir spüren zwar deinen Zorn, aber du mußt den Grund dafür schon in deutliche Worte
fassen.
»Cedric!« rief Niobe.
»Ihr habt euch miteinander verschworen, um Cedric zu töten, damit ich... damit ich...«
Cedric? Die Sache haben wir dir doch erklärt!
»Nun, Satan hat sie besser erklärt! Ich werde diese Arbeit nicht tun! Ihr hattet kein
Recht...«
Satan! empfing sie Lachesis' Gedanken.
Das erklärt alles! pflichtete Atropos ihr bei.
»Ja, Satan!« bestätigte Niobe. »Er versteht wirklich etwas vom Bösen! Er war dort draußen im
Nichts und hat...«
Und hat dir eine raffinierte Lüge aufgetischt, fuhr Lachesis fort.
Und du hast ihm geglaubt, schloß Atropos.
»Ja, ich glaube ihm!« rief Niobe. »Und ich will wieder zurück in die Sterblichkeit, dort gehört
mir wenigstens mein eigener Körper!«
Du hast dem Vater der Lüge geglaubt, dachte Atropos.
Es ist dein gutes Recht zurückzukehren, bestätigte Lachesis. Aber zuerst müssen wir
diese Sache einmal klären. Du mußt die Wahrheit erkennen, bevor du handelst, sonst führt dich
Satan ins sichere Verderben.
»Warum sollte er das tun?«
Er will nicht, daß du in deinem Amt bleibst. Er weiß, daß du ihm irgendwie erhebliche
Schwierigkeiten machen wirst, deshalb hat er auch versucht, dich töten zu lassen, bevor du Clotho
werden konntest.
Zweifel nagten an Niobe. Satan war sehr überzeugend gewesen, doch er war immerhin die Inkarnation
des Bösen und scheute mit Sicherheit vor keiner Lüge zurück, wenn es seinen
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