Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Mensch von normaler Intelligenz annimmt,
wenn er sich mit einer weniger intelligenten Person abzugeben hat. »Und wenn der Eindringling
dann versuchen sollte, die Instrumente zu stehlen...«
»Was dann? Nicht, daß unsere Mädchen das tun jemals würden, aber...?«
»Dann würde der Bergkönig persönlich eingreifen. In seiner Höhle könnte ich sie nicht beschützen,
dort ist er allmächtig. Die Mondsteine schützen sie zwar vor dem Bösen, aber der Bergkönig ist
nicht böse, einfach nur hart. Aber soweit sollte es eigentlich nie kommen.«
»Dieses Risiko lasse ich sie nicht eingehen!«
Er zuckte die Schultern. »Warum gehst du nicht einfach mit und paßt auf sie auf? Dann kannst du
sichergehen, daß sie nichts Törichtes tun. Der Bergkönig ist ein gerechter Mann; er wird
niemandem Schwierigkeiten machen, der sich an seine Regeln hält.«
»Das kann ich tun? Mit ihnen zusammen die Hindernisse durchlaufen?«
»Natürlich kannst du das, Mutter!« sagte er, als hätte ihr Intellekt seine ohnehin schon sehr
niedrigen Erwartungen noch unterboten. »Der König ist nicht kleinlich, wenn es um Einzelheiten
geht. Ich würde die Mädchen ja selbst begleiten, aber er würde mich dort nicht dulden.
Konkurrenzmagie, du verstehst schon.«
»Und es sind wirklich gute Instrumente?«
»Die besten, die es gibt, Mutter«, verkündete er ihr geduldig. »Auf dem allerneuesten
Stand.«
Sie seufzte. »Dann werde ich es tun.«
Sie nahm die Mädchen mit und parkte den Wagen neben einem riesigen Schild, auf dem die Aufschrift
stand:
BERGKÖNIG - NEBENHÖHLE
Sie traten durch die markierte Öffnung, die wie eine edelsteinbesetzte Höhle aussah. Die
Mädchen waren aufgeregt und nervös. Sie hatten Geschichten über die schlimmen Höhlen des
Bergkönigs gehört, hatten sich aber niemals Hoffnungen gemacht, sie einmal besuchen zu können.
Eigentlich hatten sie sich sehr hübsch anziehen wollen, Niobe hatte jedoch auf Jeans und
Turnschuhen bestanden. »Wir gehen schließlich nicht auf eine Modenschau!« hatte sie geschnaubt.
Im Inneren waren Wegweiser mit Pfeilen:
TOURISTEN - HINDERNISSE
Sie gingen in die letztere Richtung.
Der Gang führte in eine große Höhle mit felsigem Boden. Eine aufgemalte gelbe Linie schlang sich
um die Felsbrocken zur gegenüberliegenden Seite. An der näher gelegenen Seite parkten mehrere
Motorräder. Auf einem großen Schild stand das Wort
INSTRUKTIONEN
Niobe trat näher, um das Schild zu lesen. In kleinerer Schrift waren die Anweisungen genauer
erklärt. Sie las sie durch und pfiff durch die Zähne.
»Das ist aber wirklich eine Herausforderung!«
Die Mädchen lasen ebenfalls das Schild. »Mutter, das können wir nicht!« protestierte Orb.
»Ich gebe zu, daß mir die Sache auch nicht gefällt«, meinte Niobe. »Aber vergeßt nicht, die
Gefahren sind nicht wirklich. Es sind nur Illusionen.«
Die Aufgabe bestand darin, auf einem Motorrad die gelbe Linie entlangzufahren, die den einzigen
sicheren Weg durch das Minenfeld darstellte. Weil dies die erste Aufgabe war, war ein Fehler
zulässig. Und weil die Minen nur Illusionen waren, würden sie lediglich grell aufblitzen, wenn
sie aktiviert wurden, anstatt den Eindringling in Stücke zu reißen. »Wie nett von dem Bergkönig«,
murmelte Niobe mit gewisser Ironie.
»Aber wenn wir zwei Minen auslösen«, fragte Luna, »dann bekommen wir unsere Instrumente
nicht?«
»So ist es, meine Liebe. Denn wenn wir bei dieser Herausforderung versagen, danach aber
weitermachen, werden diese Minen echt.« Sie mußte zugeben, daß dies eine sehr geschickte Form der
Auslese war. Wer die Herausforderungen meisterte, würde keine Probleme bekommen. Wer es nicht
tat, mußte ein völliger Tor sein, wenn er die echten Gefahren auslöste. Das Spiel des Bergkönigs
war zwar hart, aber auch fair.
»Oooh«, murmelte Orb leise. Sie war die schneller Reagierende der beiden, mal
himmelhochjauchzend, mal zu Tode betrübt. »Aber wenn wir das Spiel ehrlich spielen, haben wir
nichts zu befürchten.«
»Das stimmt, das ist auch eine gute Lebensregel.« Niobe musterte die Motorräder und das
Minenfeld, ebenso die sich dahinschlängelnde Linie. Wieviel Spielraum es wohl zu beiden Seiten
gab? Und dann die Mädchen - keine von beiden hatte jemals ein Motorrad gefahren. Mit Sicherheit
würde eine von ihnen zu weit von der Linie abkommen. Nein, diese Herausforderung war zu
schwierig!
»Ich glaube, ich bringe euch besser eine nach der anderen nach drüben«, entschied Niobe.
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