Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Krieger?«
Er gab sie frei. »Gibt doch immer wieder etwas Neues! Siehst du diese Reihe Flüchtlinge
dort?«
Sie blickte in die angezeigte Richtung. Eine scheinbar endlose Reihe gequälter Zivilisten schritt
am Straßenrand entlang gen Norden. Offensichtlich waren sie ausgebombt worden und flohen so weit
in Sicherheit, wie sie nur konnten. Nun griff Mars sie an den Schultern und drehte sie in die
andere Richtung. »Und die dort?«
Eine weitere Flüchtlingsreihe bewegte sich gen Süden. »Aber die gehen ja in dieselbe Richtung,
aus der die anderen kommen!« rief sie.
»Stimmt. Und was folgerst du daraus?«
»Das muß ja eine wirkliche Tragödie sein! Für beide Gruppen gibt es keinerlei Hoffnung
mehr!«
»Nun hast du es begriffen, Mädchen«, stimmte er knurrig zu. »Der Krieg ist die Hölle.«
Sie wußte es zwar besser, konnte aber nicht gegen ihre eigene Natur. Deshalb forderte sie seine
Weltanschauung heraus: »Wie kannst du nur eine solch schreckliche Situation auch noch ermutigen,
Mars? Das da sind lebende, fühlende Menschen, die bestimmt völlig unschuldig an diesem
Krieg sind!«
Mars, stets zu einem Scharmützel bereit, antwortete ohne jedes Zögern. »Ja, Mädchen, das sind
sie, zumindest nach deiner Definition. Aber nicht nach meiner! Sie haben nach Freiheit gestrebt,
und nun müssen sie die Konsequenzen dafür tragen!«
»Nach Freiheit?«
Er nickte. »Nach Freiheit der Meinungsäußerung, nach Versammlungsfreiheit, nach der Freiheit, zu
lesen, was sie wollen, nach freier Berufswahl. Sie haben vergessen, daß sie nur ein
Satellitenvolk sind. Diese Panzer sind hier, um sie daran zu erinnern.«
»Und das billigst du?« fragte sie ungläubig.
»Aber sicher! Die Freiheit ist das kostbarste Gut, das ein Mensch in den Händen halten kann, und
ihr Preis läßt sich nicht messen. Diese Menschen leiden, um zu beweisen, daß sie dessen würdig
sind, wonach sie streben, und ich bin stolz auf sie!«
»Und was ist mit den Panzern?«
»Auf die bin ich auch stolz.«
»Ach, Mars, du bist einfach unmöglich! Ich wünschte, ich könnte wenigstens eine dieser armen
Seelen retten!«
Mars machte eine ausladende Geste, die beide Flüchtlingsreihen umschloß. »Such sie dir aus,
Clotho.«
»Was?«
»Wenn du in wenigen Minuten dein Amt übergibst, kannst du dir eine von diesen hier auswählen. Die
kann wenigstens gerettet werden.«
Ein unglaublicher Grobian! dachte Lachesis.
Aber es könnte stimmen, erwiderte Atropos.
»Also gut, das werde ich tun.« Niobe schritt zu der Flüchtlingsreihe, die nach Norden strebte,
und hielt die erste junge Frau an, die allein zu gehen schien. Es war ein dunkelhaariges,
hübsches Mädchen von etwa zwanzig Jahren, das einen großen Koffer mit sich schleppte. Sie starrte
Niobe an.
»Möchtest du das Schicksal wenden?« fragte Niobe.
Die Frau blickte sie mit großen Augen verständnislos an.
»Mit mir die Rolle tauschen und für immer frei von all dem hier sein?«
Die Frau sagte etwas Unverständliches.
Natürlich! dachte Atropos. Sie ist ja auch Ungarin!
Spricht Mars nicht alle Zungen? dachte Lachesis.
»Ja!« sagte Niobe. Sie nahm die Frau bei der Hand und zerrte sie über die Straße zu der
Inkarnation des Krieges. Die gräßliche Gewalttätigkeit um sie herum schien die Frau geradezu
betäubt zu haben. Vielleicht glaubte sie ja, daß Niobe ihr einen sicheren Unterschlupf für die
Nacht anbieten wollte.
»Mars, sag es ihr«, befahl Niobe. »Frage sie, ob sie den Austausch will.«
Mars sprach die Frau in ihrer eigenen Sprache an und zeigte auf Niobe. Die Frau schüttelte
ungläubig den Kopf. Dann schlug in der Nähe ein Geschoß ein und riß ein Stück aus einem Gebäude,
und die Frau überlegte es sich anders. Sie nickte.
»Im Sturm ist jeder Hafen gut«, dolmetschte Mars.
Diesmal war Atropos für die Amtsübergabe zuständig. Sie nahm die Kontrolle über den Körper an
sich.
»Lebe wohl, Niobe«, sagte sie. »Es war ein Vergnügen, mit dir zusammenzuarbeiten.«
Lebe wohl, Schwesteraspekt, dachte Lachesis und gab ihr im Geiste einen Kuß.
Atropos nahm die Frau bei der Hand und Niobe fand sich in ihrem Körper stehend vor Atropos
wieder. »Lebt wohl!« rief sie und wie immer strömten auch nun die Tränen.
Mars griff in eine seiner Taschen und holte einen rötlichen Steinsplitter hervor. »Nimm das,
Niobe«, sagte er knurrig. »Es stammt von meinem Planeten. Das wird dich vor Schaden bewahren, bis
du am Ziel bist.«
Niobe nahm den Stein. Sie öffnete den Mund, um ihm zu
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