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Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3

Titel: Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Tages nahm sie dann ihre Harfe mit auf den Marktplatz, setzte sich dort hin und begann zu
spielen. Die Bewohner, die gerade vorbeikamen, blieben stehen, und bald gesellten sich andere
hinzu. Orb wußte, daß kein Zigeuner solcher Musik widerstehen konnte, und darauf baute ihr Plan
auf.
Als sie ein paar Lieder gespielt hatte, packte sie die Harfe wieder ein und kehrte in ihr Haus
zurück.
Es verging keine Stunde, da klopfte es an ihrer Tür.
Orb öffnete, und vor ihr stand ein dunkler Bursche. »Nicolai will Sie sehen.«
Orb legte sich den Umhang um und trat hinaus.
»Mit ihrer Musik«, fügte der Bursche hinzu.
Orb holte die Harfe und folgte dem jungen Mann zu einer elenden Hütte. Wäre Orb zufällig hier
vorbeigekommen, hätte sie nicht geglaubt, daß dort jemand wohnen könnte.
In der Hütte hockte ein alter Mann auf einem wackligen Stuhl; in der Hand hielt er eine
Geige.
Der Greis starrte Orb eine Weile an, ehe er sagte:
»Bringen Sie meinem Kind Ihre Musik bei.«
»Das kann ich nicht«, widersprach Orb, »denn ich bin auf der Suche nach...«
Der Alte winkte nur ungeduldig ab und rief: »Tinka!« Ein gesundes Mädchen erschien, das sein
langes schwarzes Haar unter einem Kopftuch zusammengebunden hatte.
Orb fielen sofort Tinkas Augen auf. Der Blick ging unentwegt ins Leere, ohne etwas zu sehen. Sie
mußte blind sein.
Nicolai nahm seine Geige und fing an zu spielen.
Eine wunderbare Weise, die die ganze Gegend verzauberte und von Ereignissen kündete, die man nur
mit dem inneren Auge zu sehen vermochte.
Abrupt hörte der Alte auf zu spielen. »Sehen Sie Tinka hier«, brummte er und hielt die Linke des
Mädchens hoch.
Orb keuchte. Alle Finger waren bis auf das Glied an den Knöcheln abgehackt. Nur der Daumen war
intakt. Das Mädchen mußte in ihrer Kindheit einen furchtbaren Unfall erlitten haben.
»Sie kann nicht musizieren, und sie kann nicht tanzen.« Der Alte sah auf Tinkas Füße. Orb
erkannte, daß sie verkrüppelt waren. »Sie ist schon fünfzehn, aber sie findet keinen Mann. Dabei
ist sie auf ihre Weise hübsch. Bringen Sie ihr Ihre Musik bei.«
»Ich... ich will es versuchen, aber... aber das kann man nicht lernen...«
»Nehmen Sie Tinka an die Hand.«
Orb kämpfte gegen den Widerwillen an und ergriff Tinkas verstümmelte Hand. Bei der Berührung
hörte sie ferne Musik.
Tinka besaß Magie!
»Ich kann ihr nichts beibringen. Aber Sie verstehen die Musik auf ganz besondere Weise. Also
müssen Sie sie lehren.«
»Vielleicht ist es mir möglich«, antwortete Orb leise.
»Nehmen Sie sie mit.«
Diese Aufforderung bereitete ihr einiges Unbehagen, doch gehorsam nahm sie Tinka mit in ihr Haus.
Die Menschen unterwegs tuschelten hinter ihrem Rücken, aber keiner wagte, sie oder die Blinde
direkt anzusehen.
Im Haus ärgerte sich Orb zunächst, daß sie, statt das Llano zu finden, sich nun mit einer
Schülerin herumplagen mußte. Doch dann sagte sich, daß man sie vielleicht auf die Probe stellte.
Wenn es ihr gelang, dem Mädchen ihre Musik beizubringen, würden die Zigeuner ihr helfen.
Tinka war sehr schüchtern, tat nichts ohne vorherige Aufforderung und zuckte in der Regel die
Achseln, wenn Orb sie etwas fragte. Orb wußte dann, daß sie erst das Vertrauen des Mädchen
gewinnen mußte, bevor sie mit dem Unterricht beginnen konnte.
»Komm, Tinka, wir machen einen Einkaufsbummel.«
Keine Reaktion.
»Du brauchst doch was zum Anziehen. Und Schuhe. Ein so hübsches Mädchen wie du...«
Auch jetzt reagierte Tinka nicht. Orb fiel auf, daß sie sie noch nie sprechen gehört hatte. Ob
sie auch taub und stumm war? Nein, sie war doch gekommen, als ihr Vater sie gerufen hatte.
Nun gut, dachte Orb, alles zu seiner Zeit.
Zumindest würde Tinka singen können, denn Nicolai hatte von Orb unter anderem verlangt, den
Gesang seiner Tochter zu schulen.
Warum war sie nur so unzugänglich? »Du verstehst mich doch, oder?« fragte Orb.
Tinka zuckte nur die Achseln. Also war sie wirklich nicht taub, aber vermutlich verstand sie kein
Englisch.
Orb nahm sie an die Hand und führte sie in eine Kleiderboutique für Touristen, an dem ein Schild
hing, daß man hier Englisch verstehe.
»Ich möchte ein Kleid, Schuhe und Handschuhe«, erklärte Orb dem Ladenbesitzer. »Doch staffieren
Sie sie nicht wie eine Touristin aus.«
Der Mann holte seine dicke Frau. Die sprach in einer fremden Sprache mit Tinka und führte sie ins
Ladeninnere, während Orb mit dem Ladenbesitzer um den Preis feilschte. Zwar verfügte sie über

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