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Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3

Titel: Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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genügend Geld, doch achteten die Menschen hier jeden gering, der gleich auf die erste Forderung
einging.
Als sie sich endlich geeinigt hatten, brachte die Frau Tinka nach vorn. Sie war frisch frisiert,
trug ein helles Sommerkleid, darüber eine weiße Bluse und auf den Schultern eine Stola mit
Blumenmuster. Dicke Handschuhe verbargen die verstümmelten Finger, und die Schuhe an den Füßen
verdeckten erfolgreich die Mißbildungen.
Tinka wirkte wie ein hübscher Teenager.
»Wunderbar!« rief der Ladenbesitzer. Orb vermutete, daß die Begeisterung des Mannes wesentlich
von seiner Freude über die Einnahme beeinflußt wurde.
Zum ersten Mal sprach Tinka. Doch Orb verstand nicht eine Silbe davon.
»Was ist das für eine Sprache?« fragte sie leise den Ladenbesitzer.
»Calo«, antwortete er. »Sie ist eine Zigeunerin, also spricht sie deren Sprache.«
»Zu dumm, ich verstehe diese Sprache nicht.«
»Warum sollten Sie auch. Bringen Sie dem Mädchen doch Englisch bei.«
Orb machte sich mit ihrer Schülerin auf den Rückweg. Wieder taten die Passanten so, als würden
sie die beiden jungen Frauen nicht bemerken; doch Orb wußte, daß sie ihnen noch mehr nachstarrten
als auf dem Heimweg. Tinka sah jetzt auch nicht nur viel besser aus, sie trug auch das Kinn höher
und schritt wie eine Dame daher.
Zu Hause begann Orb endlich mit dem Unterricht.
»Kannst du singen?« fragte sie. Als das Mädchen nicht reagierte, nahm Orb ihre Harfe und sang ein
kleines Lied.
Tinka lächelte, und es dauerte nicht lange, da summte sie die Melodie mit. Sie hatte eine helle,
schöne Stimme; aus ihr ließe sich bestimmt eine gute Sängerin machen.
Doch Nicolai wollte vor allem, daß Orb Tinka ihre Magie vermittelte.
Orb legte ihr eine Hand auf den Arm und sang dann mit ihrer Magie. Sie wußte, daß Tinka die
unterschwelligen Klänge wahrnehmen mußte.
Und dem war auch so. Plötzlich sprudelte ein ganzer Wasserfall von Worten aus dem Mund der
Zigeunerin.
»Ich kann dich leider nicht verstehen«, bedauerte Orb. »Zu dumm, wir müssen irgendwie eine
Möglichkeit finden, uns zu verständigen.«
Auch wenn Tinka ihrerseits kein Englisch verstand, so schien sie doch begriffen zu haben, was
ihre Lehrerin meinte. Sie war ganz gewiß nicht dumm und wollte Orb ihre Aufgabe erleichtern.
Tinka zeigte auf sich und sagte ihren Namen. Dann zeigte sie auf ihr Kleid und nannte das
Calo-Wort dafür. So ging es weiter, bis sie alle Kleidungsstücke in ihrer Sprache aufgezählt
hatte.
Orb dachte kurz nach. Wenn sie von dem Zigeuner etwas über das Llano erfahren wollte, konnte es
nicht schaden, Calo zu erlernen.
So brachten die beiden sich gegenseitig etwas bei.
Orb lernte immer mehr Calo-Wörter, während Tinka sich darin übte, für ihre Musik Magie
heraufzubeschwören. Nach einer Woche konnte Orb einfache Sätze bilden, und Tinka führte ihr
erstes verzaubertes Lied vor.
Orb stellte fest, daß in der Sprache der Zigeuner Begriffe wie Pflicht oder Eigentum gänzlich unbekannt waren. Wollte sie also die Sprache richtig erlernen, mußte sie
sich mit dem Charakter und der Lebensform der Zigeuner vertraut machen.
Zigeuner empfanden so etwas wie Pflicht nur ihrem eigenen Volk gegenüber, und sie besaßen nicht
mehr, als was sie gerade am Leibe trugen oder in der Hand hielten. Geldverleih gegen Zinsen,
Immobilien oder gar Anlagegeschäfte waren für sie etwas aus einer anderen, fremden Welt.
Als Orb das begriffen hatte, wurde ihr einiges klarer. Die Anderen, wie die Zigeuner die nannten,
die nicht zu ihrem Volk gehörten, mochten dieses fahrende Volk als Diebe beschimpfen, was aber
die Sache nicht traf, denn wie kann es Diebstahl geben, wenn es keinen Besitz gibt? Man sagte den
Zigeunern auch nach, sie seien pflichtvergessen und verantwortungslos. Doch damit wurde nur
unvollkommen umschrieben, daß die Zigeuner nicht weit in die Zukunft planten und von einem Tag
auf den anderen lebten. Ein fester Beruf oder gar der Dienst beim Militär des Gastlandes käme
einem Zigeuner nie in den Sinn. So gesehen steckten hinter den schlechten Eigenschaften, die man
den Zigeunern nachsagte, nichts anderes als Mißverständnisse auf Seiten der Anderen.
Zigeuner besaßen durchaus ihre guten Seiten, die ihnen zur Ehre gereichten. Sie liebten die
Musik, machten sich viel Freude, teilten alles miteinander und lebten zusammen wie eine einzige
große Familie. Gerade ihr Sinn für Geselligkeit rührte Orb besonders an. Denn sie hatte sich
immer schon gewünscht, zu

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