Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
hielt sie nach den Zigeunern Ausschau. Bald schon entdeckte sie ein paar
Wagen und Zelten. Als sie näher kam, sah sie Frauen an Kochtöpfen und Männer, die ihre Pferde und
das Vieh versorgten. Kinder spielten zwischen den Zelten Nachlaufen. Alle trugen bunte Kleidung.
Das mußten die gesuchten Zigeuner sein!
Sie landete in der Nähe, rollte den Teppich zusammen und verstaute ihn neben der Harfe in ihrem
Rucksack. Sie hatte zwar schwer davon zu tragen, aber gerade in dieser Gegend wollte sie ihre
Sachen genau im Auge behalten. Schließlich hatte sie über die Zigeuner schon einige wenig
erfreuliche Geschichten gehört.
Als sie das Lager erreichte, wurde sie sofort von den Kindern umringt. »Wollen Sie schöne Kleider
kaufen?« schrie eines. »Meine Mutter macht die besten Sachen!«
»Wollen Sie sich die Zukunft aus der Hand lesen lassen?« rief ein Junge. »Meine große Schwester
weiß alles!«
Dann trat ein Mann auf sie zu. Er hatte pechschwarzes Haar und tief dunkle Augen. Mit einer
Handbewegung verscheuchte er die Kinder.
»Seien Sie willkommen, schöne Frau!« rief er ihr entgegen. »Kommen Sie mit in meinen Wagen. Dann
zeige ich Ihnen alle Wunder der Liebe!«
»Es würde mir schon reichen, wenn Sie mich zu Ihrem Stammesführer bringen«, antwortete sie.
»Der steht vor Ihnen«, lachte der Mann und legte den Arm um sie. Seine Hand fuhr über ihren
Rücken und zwickte sie.
Orb schrie »Au!« und sah den Mann mit flammenden Augen an. »Wie können Sie es wagen!« schimpfte
sie.
»Holla! Eine Frau mit Feuer!« rief er. »Was für ein Vergnügen, mit Ihnen das Bett zu teilen!«
Sein dunkler Blick lähmte sie, und sie fühlte sich so, als sei ihr die Entscheidung über den
weiteren Lauf der Dinge abgenommen.
Sie umklammerte mit der Linken das Amulett an ihrem Hals. Das gab ihr Kraft, und sie wußte, daß
der Zigeuner ihr nichts antun konnte; zumindest körperlich nicht. Aber seine Worte und die
unverhohlenen Blicke machten ihr Angst.
Der Mann wollte sie wieder berühren. Doch die Macht des Amuletts entfaltete sich nun. Eben noch
hatte Orb nicht geahnt, was ihr im nächsten Moment widerfahren würde. Doch jetzt war sie gewarnt
und konnte mit Hilfe des Steins den Zigeuner erfolgreich abwehren. Die Amulette des Zauberers
hatten sie und Luna ihr ganzes Leben lang geschützt.
Der Mann stand reglos vor ihr. Orb fühlte sich wieder etwas selbstsicherer. »Sie sind nicht der
Anführer, nicht wahr?« fragte sie streng.
»Nein«, antwortete er kleinlaut. »Ich habe das nur behauptet, weil ich dachte, Sie würden mich
dann eher nehmen.«
»Vielleicht können Sie mir ja auch helfen«, fuhr Orb fort. »Ich suche das Llano. Was wissen Sie
darüber?«
»Das Llano!« entfuhr es ihm, und er wich erschrocken vor ihr zurück, wodurch er aus dem Bannkreis
des Amuletts geriet und sich wieder frei bewegen konnte. Er starrte verblüfft auf seine Arme und
Beine, die nun nicht mehr wie gelähmt waren. »Was haben Sie mit mir gemacht?«
»Ich habe Sie mit meiner Persönlichkeit überwältigt«, antwortete sie süßlich. »Wollen Sie mir nun
bitte meine Frage beantworten?«
Der Mann breitete hilflos die Arme aus. »Ich wünschte, ich könnte mehr dazu sagen, junge Frau.
Wir suchen ja selbst nach diesem Lied. Doch niemand weiß, wo es zu finden ist. Niemand hier im
Stamm kann Ihnen da weiterhelfen. Ich fürchte, Sie müssen schon zur Urheimat der Sinti und Roma
vorstoßen, um etwas über das Llano zu erfahren.«
»Und wo liegt diese Urheimat?«
Er breitete wieder die Arme aus. »Auch das wissen wir leider nicht genau. Die Alten erzählen, daß
unser Stamm vor langer Zeit über Spanien aus Ägypten gekommen ist. Aber vielleicht ist das auch
eine von den vielen Sagen und Legenden.«
Orb dachte kurz nach und erklärte dann voll von jugendlicher Unbekümmertheit: »Gut, dann reise
ich eben nach Spanien und frage dort weiter.«
Der Zigeuner zuckte zusammen. »Ich fürchte, das wäre nicht sehr klug.«
»Und warum nicht?«
»Sehen Sie, junge Dame, man kann nicht einfach in ein Sinti-Lager spazieren und dort nach
Belieben Fragen stellen. Ehe Sie sich versehen, sind Sie im Zelt eines Mannes gelandet, und...«
Er hielt inne, doch nicht aus Scham, sondern weil ihm eingefallen war, wie sie ihn gelähmt hatte.
»Na ja, vielleicht können Sie dem entgehen. Aber die Sinti in Spanien, nun, die sind berühmt für
ihre Feurigkeit. Die würden Sie nicht so einfach gehen lassen wie ich. Und wer weiß, ob Ihr
Zauber dort
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