Inkarnationen
dem Bewußtsein, das in dieser Manifestation gewohnt hatte, nicht einmal mehr gelungen war, sich dorthin zu flüchten, woher es gekommen war .
Das, dachte er, würde Seine Niederlage wirklich schmerzhaft machen, und vielleicht...
... würden die Menschen erstmals in der Geschichte wirklich für längere Zeit vor Ihm gefeit sein!
Ob die Welt dadurch besser wurde, mußte sich aber erst noch zeigen.
Ein Ruf ließ Salvat nach London blicken. Dort hatte sich rötlicher Schein über einem der Viertel gebildet.
»Es brennt«, hörte er einen der Illuminaten sagen.
Sie konnten beobachten, wie der bedrohliche Glanz in den nächsten Stunden immer mehr an Kraft gewann, ohne daß ihm von den Bürgern der Stadt Einhalt geboten wurde.
Auch Salvat war außerstande, etwas für die Stadt zu tun. Das letzte Quentchen besonderer Macht, das er in sich trug, hätte nicht gereicht, um die Flammen dort zu ersticken, deshalb verwendete er es ohne Gewissensbisse für etwas anderes.
Und nicht einmal er selbst ahnte, wieviel Mühe, wieviel Zeit es kosten würde, das kaum noch vorhandene Leben, das er aus Lilenas Körper barg, wie ein Pflänzchen von nie dagewesener Zartheit zum Gedeihen zu bringen.
(Du bist ihm begegnet, Lilith. Irgendwann bist du ihm in dieser Gestalt wiederbegegnet, sonst hätte er mir nicht die Augen über dich öffnen können ...)
* »Ich muß dich stören!«
Salvat begriff nur langsam, daß die Stimme nicht mehr Bestandteil der Vergangenheit war, die vor seinem geistigen Auge Revue passierte. Mit einem Widerwillen, als könnte er den Verbleib im Damals erzwingen, stemmte er sich gegen seine Rückkehr in die Gegenwart.
Umsonst.
Neben ihm stand Adrien und wiederholte: »Ich weiß, wie schlecht der Zeitpunkt gewählt ist, dich zu unterbrechen, aber ... Enya ist zurückgekehrt!«
*
Salvat kappte die Verbindung zu Liliths Geist in der Gewißheit, daß ihn diese Frau nicht betrog.
Er hatte genug erspürt, um sagen zu können, daß sie nichts vor ihm versteckte, sondern tatsächlich bar jeder Erinnerung war. Ihr Verstand war jungfräulich wie der eines Neugeborenen - zumindest, was ihre eigene Person und alle Dinge betraf, die damit zusammenhingen. Ihre Persönlichkeit war restlos ausradiert worden.
Du ahnst nicht einmal, daß wir ein gemeinsames Kind hatten, dachte Salvat. Und zweifelte, ob er es ihr je enthüllen würde.
»Wo ist sie?« wandte er sich an Adrien, während sich die Stränge, die aus seinem Rücken gefächert waren, zurückbildeten.
»Enya? In ihrer Unterkunft«, sagte der alte Ordensbruder.
Wie er es sagte, gab Salvat Anlaß, sich zu wundern.
»Ist etwas mit ihr?« fragte er. »Ist sie . verletzt?«
»Nein. Wahrscheinlich nicht.« Adrien schüttelte den Kopf. »Aber ich wäre beruhigt, wenn du es mir bestätigen könntest.«
Salvat faßte Adrien scharf ins Auge. Als dieser nicht konkreter wurde, wandte er sich zur Tür. »Kümmerst du dich um sie?«
Adrien nickte und fragte, ohne eine Miene zu verziehen: »Freund oder Feind?«
»Freund.«
Salvat ging, während Lilith langsam auf dem Bett zu sich kam.
*
»Die Spur, der ich folgte, endete in Rom«, erzählte Enya, »aber die erste Zeit wollte ich noch nicht wahrhaben, daß ich die strenge Witterung des Adlers tatsächlich verloren hatte. Also ging ich jedem noch so kleinen Hinweis nach, um meinen Auftrag doch noch erfüllen zu können . Du hattest klar genug gemacht, daß ein Vampir, der sich in einen Adler verwandelt kann, etwas ganz Besonderes sein muß. Und das ist er wohl auch. Die Toten, die ich fand und denen ich lange Zeit wie Wegmarken folgen konnte, belegen, daß er nicht einfach nur trinkt und tötet wie seine Artgenossen - jedem Opfer, dem ich begegnete, war ein indianisches Symbol ins Fleisch geritzt .«
»Indianisch?« Salvat war interessiert - und doch wieder nicht. Die Quintessenz aus Enyas Bericht sagte nichts anderes, als daß ein weiterer der Eindringlinge, die versucht hatten, das Kloster zu infiltrieren und hinter seine behüteten Geheimnisse zu kommen, entwischt war .
»Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen .«
Uns, korrigierte Salvat sie, fast wie in einem Reflex, es geht nicht um mich, es geht um uns . und all die Menschen draußen .
»Schon gut. Erhole dich von den Strapazen. Wir unterhalten uns später ausführlich.«
»Du bist in Eile?«
»Du weißt nicht, was in der Zwischenzeit alles vorgefallen ist«, nickte Salvat. »Die Siegel sind ein zweites Mal gebrochen worden, und der Schutz vor dem, was
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