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Inkarnationen

Inkarnationen

Titel: Inkarnationen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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davon und vermengten sich mit den Nebeln, die vom Fluß her kamen.
    Ab und zu übertönte der Schrei eines Waldkauzes das Geräusch vieler Schritte. Die, die im Dunkel marschierten, folgten dem Gebot ihres Anführers.
    Kein Wort verließ ihre Lippen. Alles, was im vorhinein der Rede wert gewesen war, hatte man diskutiert. Von nun an zählten Taten. Und die Bereitschaft, das eigene Leben notfalls zu opfern .
    Salvat erreichte die Grube außerhalb der Stadttore an der Spitze seiner Ordensbrüder und -schwestern.
    Zwei Männer lösten sich aus einem Unterstand, wo sie im Karbidlicht Karten gespielt hatten. Mißtrauisch - und wohl auch etwas fröstelnd angesichts der gespenstischen Prozession - riefen sie den Kuttenträgern entgegen: »Wer seid ihr und was wollt ihr? Wir sind königliche Wachen. Uns wurde keine Nachricht überbracht, daß -«
    Salvat verlor keine Zeit.
    »Hört ihr die Raben?« fragte er die beiden abgestumpften Galgengesichter, die auf königliches Geheiß hier draußen bei den Toten Wache schoben. Vielleicht waren sie nur dazu da, um die Listen zu führen, die dem Königshaus Aufschluß über die Peststatistik verschafften. Zu »bewachen« im eigentlichen Sinn gab es nichts. Kein Bürger bei Verstand hätte einen Besuch der Grube riskiert, in der die Pesttoten versenkt und mit einer dünnen Schicht Erde überschüttet wurden, um den Gestank gering zu halten.
    Den Gestank .
    Er, dachte Salvat, hätte sich kein besseres Versteck aussuchen können, um den eigenen Gestank zu verbergen.
    Aber das allein konnte nicht der Grund sein, weshalb der Teufel sich ausgerechnet hier verkrochen hatte.
    Salvat ahnte und fühlte, daß in Blickweite der Stadtmauer etwas Beispielloses in Gang geraten war. Etwas, das nicht nur London, sondern die ganze Welt verschlingen konnte, wenn ihm nicht doch noch Einhalt geboten wurde .
    »Die Raben?« echote einer der Wächter. Sein Versuch, die Schatten zu durchdringen, die nicht nur Salvat umwoben, sondern jeden einzelnen Illuminaten in seinem Mönchsgewand, scheiterte. Salvats Züge hätten ohnehin keine Regung gezeigt. Er fühlte sich am Scheideweg und dachte daran, wie er gegen Mittag dieses Tages einem Gerücht zum Tower gefolgt war. Dort hatte helle Aufregung unter den Gärtnern des Tower Green geherrscht. Sie, die auch verantwortlich für die Hege und Pflege der großen Raben waren, hatten offenbar tatsächlich Alarm geschlagen und für tiefe Beunruhigung bei Hofe gesorgt. Einer alten Legende zufolge würden London und die Monarchie fallen, wenn die Raben eines Tages vom Tower wegflögen. Aus diesem Grund wurden sie verhätschelt und gefüttert und bekamen, sobald sie flügge waren, die Flügel gestutzt. Nun aber .
    Salvat hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sich einige der großen schwarzen Vögel, todessüchtigen Lemmingen gleich, von den Zinnen des äußeren Befestigungsringes in die Tiefe gestürzt hatten. Danach, hieß es, habe der König persönlich die Ankettung der sagenumwobenen Vögel befohlen. Salvat zweifelte indes, daß dies die angemessene Reaktion auf ein solches Omen war. Aus seiner Sicht mußte man das drohende Unheil bei den Wurzeln packen und nicht gegen die warnenden Stimmen ankämpfen .
    Doch Satan würde seinen Einfluß längst auf die Herrschenden ausgeweitet haben - nachdem er die Grauen Eminenzen der Stadt schon Jahre zuvor bei seiner Ankunft in alle Winde vertrieben hatte.
    Marionetten, dachte Salvat. Der Mensch scheint dafür prädestiniert zu sein, ein Marionettendasein zu führen. Und diejenigen, die damit hätten umgehen können und müssen, haben versagt...
    Es war sein letzter Gedanke, bevor erst der eine, dann der andere Wächter dieser Grube fielen. Kurz bevor der Beauftragte Gottes sich seines Mönchsgewands entledigte (wie eben, Lilena, genau wie eben) und zum Rand der Grube hinglitt, ohne daran zu zweifeln, daß seine Anhänger die von ihm befohlenen Positionen hinter ihm einnahmen.
    Dort am Grubenrand tat Salvat es den Raben des Tower gleich.
    Kopfüber stürzte er sich in den Pfuhl des Grauens .
    *
    Überall waren Leichen. Sie füllten die Grube zu Hunderten, vielleicht zu Tausenden ... und Salvat drängte sie mit der Wucht eines sonderbar verlangsamt einfliegenden Projektils beiseite.
    Unter der Pestdecke spürte er sofort den Odem dessen, den sie durch die Zeiten verfolgt hatten. Tief am Grund der Grube existierte die höllische Präsenz, nach der die Jäger so lange vergeblich gesucht hatten .
    Aber bevor Salvat ins Auge des TIERS

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