Inkarnationen
direkt in den Köpfen der Männer. Aufstöhnend brachen die meisten von ihnen - die Hände gegen die Schläfen gepreßt, als könnten sie den Druck so lindern -in die Knie, und wieder ging die Bewegung wie eine Welle durch die Menge.
Zuru gehörte zu den wenigen, die sich noch halbwegs aufrecht hielten. Und er war der einzige, der die Stimme erhob, wenn auch mit schmerzverzerrtem Gesicht und sich jedes Wort schier abringend.
»Wer bist du?« keuchte er.
»Ich bin der, den ihr mit eurem Tun heraufbeschworen habt!« kam donnernd die Antwort. »Und ich bin gekommen, um euch auf den rechten Weg zu zwingen. Seht mich an als euren Erlöser, wenn ihr mir fortan zum Gefallen handelt. Treibt ihr es weiter wie bisher, so will ich euch ein ums andere Mal heimsuchen, bis aller Trotz gegen Ihn und Seinen Willen aus euch gewichen ist!«
Von neuem regnete Feuer auf die Männer herab. Schreiend ließen jene ihr Leben, die von den Flammen erfaßt und umhüllt wurden.
Auch der Anführer des gegnerischen Stammes stand noch. Jetzt versetzte er Zuru einen derben Stoß, der ihn zu Boden gehen ließ.
»Alle deine Wünsche seien uns Befehl!« rief er dann auf zu dem zürnenden Wesen, ehe er sich selbst in den Staub warf, das Gesicht tief in den Dreck drückend vor Angst und Ehrfurcht.
Zuru sah einen Moment lang erstaunt zu ihm hin. Dann senkte auch er das Gesicht in den Staub und murmelte einsichtig: »Was du auch wünscht, wir sind bereit und willens, es zu tun.«
Ein eisiger Wind fegte über die daliegenden Männer und preßte sie noch fester gegen den Boden. Dazu erklang ein donnerndes Brüllen wie von einem Sturm, dessen Macht sich niemand vorzustellen vermocht hätte. Weil sie groß genug sein mußte, um die ganze Welt zu verwüsten. In diesem Toben gingen die Schreie weiterer Sterbender fast unter.
Es dauerte lange, bis Zuru es wagte, den Kopf zu heben. Erst lugte er vorsichtig nach oben - nichts. Das Ungeheuer war verschwunden, oder wenigstens doch seinen Blicken entschwunden. Denn seine Präsenz war nach wie vor wahrzunehmen, wie stinkender Brodem, der alles ringsum vergiftet hatte.
Als Zuru sich schließlich auf die Knie erhob, stellte er fest, daß außer ihm nur ein paar Handvoll Männer noch am Leben waren. Das Blut aller anderen hatte den Boden des Tals dunkel gefärbt, ihre Leiber waren zerrissen von Krallen, die Zuru nie vergessen würde. Er wünschte, sie nie wieder wirklich sehen zu müssen.
Allem würde er abschwören, alles tun, was ihm geheißen ward, wenn sich ihm nur im ganzen Leben jenes Ungeheuer nicht mehr zeigte!
Aber alles Wünschen und Hoffen, aller Wille und jede Bereitschaft sollten nicht genügen.
*
Luzifer hatte sich zurückgezogen. Aber er behielt den Ort des Geschehens im Auge, verbarg sich nur hinter einer dünnen Haut, die wie Glas war und ihn doch von der Welt der Menschen trennte.
Sein Leib hatte sich nicht gänzlich in den des Jünglings zurückverwandelt, dessen Gestalt er bislang bevorzugt zur Schau getragen hatte. Die Krallen des ungeheuerlichen Geschöpfs, das er, alle Ängste der Menschen zugrundelegend, ersonnen hatte, behielt er bei -wenigstens so lange noch, wie dampfendes Blut von ihnen tropfte .
Sein Plan war aufgegangen. Seine Idee hatte sich als die einzig richtige erwiesen.
Lautlos lachte er auf, fuhr sich mit den Klauen übers Gesicht. Blutige Schlieren entstellten es zu einer weiteren Maske, die er in jener spiegelnden Wand sehen konnte, hinter der er die Menschen belauerte.
Zwar mochten sie Einsicht gezeigt haben, aber vielleicht hielt sie nur für den Moment. Vielleicht war es angeraten, sie noch einmal heimzusuchen - vorbeugend gewissermaßen.
Zumal - Luzifer grinste - es ihm eine Freude gewesen war.
Er erschrak nur für einen winzigen Augenblick ob der Erinnerung an dieses Gefühl. Dann dominierte der Wunsch in ihm, es noch einmal zu verspüren. Nur einmal noch ... Vielleicht nur einmal noch ...
Die eigene Macht zu fühlen, sich ihr hinzugeben, in ihr aufzugehen war - göttlich gewesen.
Warum eigentlich, so fragte er sich, sollte er sich mit der Rolle eines Wächters begnügen, wenn ihm doch die Macht eines Statthalters gegeben war?
Von Ihm selbst gegeben!
Mußte es da nicht Sein Wille sein, daß er, Luzifer, sie auch nutzte .?
*
Eine Welt lag Luzifer im wörtlichen Sinne zu Füßen. Und er genoß es! Berauschte sich an der animalischen Unterwür-figkeit, die ihm die Menschen zollten, wo immer er auch ihre Welt betrat. Das Gefühl, für Gott selbst gehalten
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