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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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dem Boden. Luz stellte seinen Gefangenen auf der grünen Resopalplatte ab und zog ihm die starre, scharfe Schlinge um den Hals. Carboni wehrte sich, drehte den Kopf hin und her, worauf es sofort an den Stellen blutete, wo die Schlinge in die Haut einschnitt, und ein paar rote Tropfen auf seine blasse, verfettete Brust herabliefen. Luz packte einen seiner Brustmuskeln, der die Form und Größe eines kleinen Busens hatte, und massierte ihn langsam und sinnlich, sodass die Brustwarze sich aufrichtete.
    Dann nahm er eine Eisensäge aus der blauen Stofftasche und legte sie auf das Sofa.
    Platzierte das Foto der Mutter auf Serse Carbonis Penis.
    Nahm den Löffel und stieg wieder auf den Tisch.
    Carboni fing erneut an zu weinen.
    Luz hatte nun das rechte Lid des Sozialarbeiters zwischen seinen Fingern. Er hielt kurz inne, um Carbonis letzte Tränen zu betrachten. Dann führte er den Löffel ein und schälte auch das zweite Auge heraus. Schließlich riss er die Stiele der beiden Kirschen auseinander und steckte je eine in die verwaisten Augenhöhlen, die jetzt ebenso schwarz und rot waren wie der Overall des Motorradfahrers, über den er das Urteil sprechen würde. Am dritten Tag.
    Er nahm einen Beutel Kochsalzlösung aus der Tasche, schob das Infusionsgestell aus Metall hinter Carboni, hängte den Beutel kopfüber auf, nachdem er ihn mit einem Schlauch und einer Zugangsnadel verbunden hatte, und ließ die Flüssigkeit Tropfen für Tropfen in die Vene seines Armes rinnen. Der Sozialarbeiter würde drei Tage lang am Leben bleiben, genau wie die anderen. In seiner unermesslichen Güte wollte Luz ihnen die Zeit geben, sich auf ihren bevorstehenden Tod einzustellen. Wollte ihnen in seiner unparteiischen Gerechtigkeit die Zeit zugestehen, eine Erklärung für die Sünden zu finden, die sie in ihrem Leben begangen hatten. Und sie zu bereuen. In seiner grausamen Gier nach Rache wollte er ihnen die Zeit geben, am eigenen Leib den Schmerz zu erfahren, den ein anderer zu Unrecht hatte erleiden müssen.
    Aber drei Tage waren so lang, endlos lang. Luz spürte, wie ihn wieder die Schwäche überkam, die ihn schon in der Garage ergriffen hatte. Er war des Todes überdrüssig, mit dem er sich ständig befassen musste. Aber er hatte eine Mission, er musste durchhalten.
    Wütend setzte er das gezackte Blatt der Säge am unempfindlichen Fleisch des metallenen Tischbeins an und sägte es mühevoll an. Dabei stellte er sich vor, wie quälend schrill Carboni in seiner neuen Dunkelheit dieses Kreischen empfinden musste. Ein Vorgeschmack auf die schwärzeste Finsternis, die ihn bald umfangen würde. Die er, Luz, heraufbeschwören würde. Er hörte auf zu sägen, denn er durfte nicht zu voreilig sein. Diese Beinamputation durfte erst zur gegebenen Zeit erfolgen. Dann würde der Tisch ein Bein verlieren, die Platte würde kippen und der Stuhl mitsamt seiner menschlichen Last nach unten rutschen. Der scharfkantige Eisendraht würde sich spannen, die Schlinge sich zusammenziehen.
    Und die Stahlöse oben in der Decke würde dem Gewicht standhalten.
    Nach den Schüssen hatte Palermo eine schreckliche Stille wahrgenommen, die in seinem Inneren weiterdröhnte.
    Dann hörte er plötzlich jemand schwach und stoßweise atmen.
    Palermo hatte sich zu dem Jungen umgedreht. Dessen Beine hatten nachgegeben, die Fersen waren auf den Boden gesunken, die Knie wollten sich gerade beugen. Die Drahtschlinge um seine Kehle spannte sich.
    Mit einem Satz war er bei ihm gewesen, hatte ihn hochgerissen, der Junge wog ja beinahe nichts, so mager wie er war, hatte ihn von der Schlinge befreit und ihn weinend an seine Brust gedrückt. Danach entfernte er auch die Fesseln an den Handgelenken, wo der Draht ebenfalls tief eingeschnitten hatte.
    Mit seinen großen Erwachsenenhänden hatte er den kleinen nackten, von Blut – dem Blut der von ihm getöteten Monster – überströmten Körper gestreichelt, hatte ihn wieder an sich gedrückt, als wäre er sein wertvollster Besitz, sein größter Schatz.
    Die Pistole lag auf dem Boden.
    Palermo nahm sie wieder auf und sagte zu dem Jungen: »Leg dich hin.«
    Und Luz hatte ihm gehorcht.
    »Willst du es tun?«, hatte der Junge gefragt.
    Palermo weinte.
    Er weinte um Luz. Er weinte um sich selbst.
    Dann hatte er den Lauf auf Luz’ Schläfe gerichtet.
    »Das wird jetzt wehtun … aber es ist zu deinem Besten«, hatte er gesagt, dann hatte er abgedrückt und ihm einen Streifschuss verpasst.
    Das Projektil hatte eine Furche ins Fleisch

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