Inkubus
nicht sofort von hier verschwindest, geht es dir gleich genauso schlecht«, knurrte Palermo, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Rücksichtslos schubste er die andere Frau zur Seite, weil sie ihm im Weg stand, und setzte sich neben die Prostituierte aufs Bett.
Die zwei Frauen verließen das Zimmer und beschimpften den jungen Streifenbeamten, der hastig zur Seite trat, um sie vorbeizulassen. Als er sich umdrehte und ihnen nachsah, bemerkte er, dass sie mit verschränkten Armen innen neben der Eingangstür stehen blieben. Eine griff in ihren Ausschnitt, packte eine Brust und rückte sie in ihrem BH zurecht. Als der junge Streifenbeamte wieder in das rote Zimmer schaute, sah er, dass Palermo die Frau fast vollständig ausgezogen hatte. Sie stöhnte dabei zwar auf, ließ das Ganze jedoch willenlos über sich ergehen. In den Augen der Prostituierten stand Hass. Resignierter, ohnmächtiger Hass.
»Hat er dich auch gefickt?«, fragte Palermo sie.
Die Frau schüttelte den Kopf.
»Hat er es versucht?«
Erneute Verneinung.
»Hast du ihn gekannt?«
Ihr Blick verlor sich im Nichts. Eine lange Pause. Dann schüttelte sie ganz langsam den Kopf. Nein, sie kannte ihn nicht.
»Die Möse hat er ausgespart …«, sagte Palermo halblaut und völlig emotionslos, als würde er ein mit obszönen Worten gespicktes Protokoll verfassen, während er ihre Schenkel begutachtete. »Er hat sich ganz auf den Mund konzentriert …« Er drehte sie auf die Seite und sah sich ihren Rücken an, als würde er ein Tier begutachten. Oder eine Sklavin. Dann legte er sie wieder auf den Rücken. »Und auf die Titten«, meinte er lachend. »Jetzt steht er also auf Titten und Münder. Früher waren es nur die Titten. Du erinnerst dich doch noch, oder?«
Die Prostituierte schaute ihn stumm mit Tränen in den Augen an.
»Aber vielleicht hat der Mund ja eine andere Bedeutung«, meinte Palermo weiter. »Vielleicht wollte er diesen schönen Mund küssen, der nie zu viel sagt …«
Die Frau blickte zum Fenster, das mit einem schweren roten Tuch verhängt war.
»Und als er deinen Mund küsste, hat er geschmeckt, wie süß er war …«, fuhr Palermo in scherzhaftem Ton fort, »und da hat er Lust bekommen, ihn aufzuessen.«
Die Prostituierte drehte sich abrupt um und starrte ihn hasserfüllt an.
Plötzlich wurde dem jungen Streifenbeamten klar, warum ihm die Wunden der Frau so seltsam vorgekommen waren. Das waren nicht die Spuren von Faustschlägen.
»Es tut weh, oder?«, fragte Palermo.
Die Frau antwortete ihm immer noch nicht, doch diesmal hielt sie seinem Blick stand.
»Weißt du, wer das war? Kennst du ihn? Das ist deine letzte Chance, es mir zu sagen«, meinte Palermo, während er aufstand. Dann verließ er das Zimmer, ohne auf eine Antwort zu warten, die er doch nicht bekommen würde.
Der junge Streifenbeamte starrte die nackte Frau an, deren Körper so misshandelt worden war. Sie hatte große dunkle Brustwarzen und einen weichen Busen. Selbst in diesem Zustand fand er sie schön. Vielleicht, weil sie den kräftigen Körper einer Bäuerin hatte.
»Möchtest du sie ficken?«, fragte ihn Palermo und sah ihm in die Augen, und in seinem Blick lag wieder dieser Ausdruck, der den jungen Polizisten seit seinem ersten Tag im Sittendezernat eingeschüchtert hatte. »Nur zu, bedien dich. Wir könnten ja behaupten, dass es der geheimnisvolle Irre war«, sagte er lachend und ging zur Tür. »He, ihr beiden, jetzt gehört sie euch wieder«, hörte der Streifenbeamte ihn zu den anderen zwei Frauen sagen.
Der junge Polizist konnte seinen Blick nicht von der Prostituierten wenden, die nackt auf dem Bett lag. Sie starrte ihn aus harten Augen an. Dann spreizte sie die Schenkel, zeigte ihm die rasierte Scham und leckte sich anzüglich mit der Zunge über die zerschlagenen und zerbissenen Lippen. Der junge Polizist spürte ein Ziehen in der Lendengegend. Und gleich darauf Ekel. Er drehte sich um und floh aus der Wohnung.
»Sollten wir nicht den Krankenwagen rufen?«, fragte er Palermo, der sich draußen eine Zigarette anzündete.
Der Inspektor antwortete ihm nicht. Träge stieß er eine Rauchwolke aus, die sich weiß und beklemmend um sein Gesicht rankte wie eine Schlingpflanze, bevor sie sich in der drückenden Luft auflöste, die man hier im Käfig atmen musste.
»Was ist eigentlich die Aufgabe des Sittendezernats?«, fragte ihn Palermo nach einer Weile und musterte dabei die rote Glut seiner Zigarettenspitze, als ob er mit seinen Gedanken ganz woanders
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