Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
Vom Netzwerk:
nicht mehr eingekriegt, als er das spitzbekommen hat. Dabei war sein komischer Onkel Gerhard nicht anders drauf. Außerdem habe ich das Zeug gut unter Verschluss.«
    Kurt hatte also von dem Sprengstoff gewusst. Ich war nicht weiter überrascht. Es war genau das, was ich hatte wissen wollen.
    »Zeig’s mir!«, forderte ich schroff. Auffordernd fixierte ich Schillers rechtes Auge, bis er es beiseite huschen ließ. Nachgebend, wie mir schien.
    »Komm mit«, sagte er resigniert.
    Ich folgte ihm in die untere Halle. Er ging zu einer der hinteren Regalreihen, zog aus dem untersten Fach vorsichtig eine große Metallkiste heraus und wühlte an seinem dicken Schlüsselbund herum, bis er den Schlüssel fand, den er suchte. Er schloss das Vorhängeschloss auf, mit dem die Kiste versperrt war, und klappte den Deckel hoch. »Siehst du, alles noch da«, sagte er trotzig. »Da fehlt rein gar nichts.«
    Schade, dachte ich. Es hätte gut gepasst. Eine Weile dachte ich nach. »Habt ihr Onkel Gerhards Haus auch zusammen entrümpelt?«
    »Sag ich doch. Der Kerl war kein Stück besser als mein Großvater. Nur, dass er Handgranaten rumfliegen hatte.«
    »Handgranaten«, wiederholte ich tonlos und starrte ihn an. Mir wurde übel. »Und wo sind die jetzt? Schiller, sieh mich an!«, setzte ich nach, als er nicht antwortete.
    Doch Schiller hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und öffnete eine andere Kiste, die nicht verschlossen war. »Scheiße«, fluchte er los. »Verdammte Scheiße noch mal!«
    Es fiel mir schwer, ihn in seinem Chaos allein zurückzulassen. Wie sehr auch er in Aufruhr geraten war, merkte ich an der Flut der Gedichtfragmente, die er vor sich hinbrabbelte. Und an den Augen, die ziellos und seltsam unabhängig voneinander durch den Raum trieben. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich von ihm erfuhr, was ich wissen wollte. Schließlich umarmte ich ihn fest und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Du kannst nichts dafür«, flüsterte ich. »Und ich bin dir nicht böse. Wirklich nicht. Ich komme bald wieder vorbei.«
    * * *
    Eine halbe Stunde später saß ich im »Webster« am Dellplatz und löffelte eine kräftige Käsesuppe in mich hinein. Sehr lecker. Würzig, leicht salzig. Genau das, was ich jetzt brauchte, um das Gespräch mit Schiller zu verdauen und meine Gedanken zu sortieren. Letzteres war dringend erforderlich.
    Als ich mit der Suppe fertig war, orderte ich Kaiserschmarrn, Milchkaffee und ein Blatt Papier und begann, mir in gewohnter Manier die Ereignisse in Form eines Organigramms aufzuzeichnen.
    Ich unterstellte eine Verbindung zwischen Behrends, Schönlein, Matzek und Zirkow. Hinter Behrends, in seinen Rücken sozusagen, stellte ich die Ruhrcity-Bank. Schönlein repräsentierte die Stadt Duisburg ebenso wie seinen eigentlichen Beruf: Architekt. Und Miroslaw Zirkow war gleichzusetzen mit dem Rigaer Architekturbüro New Look Facility. Und mit Gino Zirkow, dem die Firma G.A.K.A GmbH in Venlo gehörte. Eine GmbH, die Mutter einer Baugesellschaft in Duisburg war. Blieb noch Pietr Matzek, Geschäftsführer der Investment Trust Novum GmbH in Riga. Und seine Verbindung zur lettischen Mafia. Kurt hatte eine eindeutige Beziehung zu Behrends und zur Ruhrcity-Bank. Dann war da noch Irina Kruzsca. Russin und Expertin für Übersetzungen. Auch sie hatte Kontakt zur Ruhrcity-Bank, und zu Kurt natürlich. Und Irina hatte einen Schnitt im Gesicht, von dem ich stark annahm, dass er ihr durch Matzek zugefügt worden war. Da war es wieder, dieses ungute Gefühl. Wir hatten Irina trotz mehrfacher Versuche nicht angetroffen, obwohl ihr Auto vor der Tür stand. Erneut rief ich Volker an und fragte, ob er sie mittlerweile erreicht hatte. Hatte er nicht. Aber er wollte es am Abend noch mal versuchen. Das ungute Gefühl tobte nun mit Vehemenz in meiner Magengrube. Gefahr, signalisierte es. Sie war in Gefahr. Aber ich wusste nicht, was ich diesbezüglich weiter unternehmen konnte. Also konzentrierte ich mich wieder auf meine Zeichnung.
    Ein neuer Kasten für Bettina. Eindeutige Verbindung zu Kurt. Und ein paar Fragen: Warum wollte Bettina plötzlich nicht mehr wissen, wer für den Tod ihres Vaters verantwortlich war? Warum war sie nicht mehr traurig? Das war äußerst seltsam. Blieb noch der Angriff auf Max. Vielmehr auf mich. Nur, dass es Max stattdessen erwischt hatte. Mit einer Handgranate. Dem Zeug, das aus der Chaosbude von Schiller verschwunden war.
    Lange starrte ich auf das Gebilde vor mir. Klopfte mit dem Bleistift ein

Weitere Kostenlose Bücher