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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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nervöses Stakkato auf den Holztisch. Kehrte wieder zu der Frage zurück, warum Bettina fand, dass ich nicht mehr weitermachen sollte. In meinem Kopf kristallisierte sich eine Idee, verfestigte sich. Und ich fasste einen Plan. Ob es ein guter Plan war, wusste ich nicht. Aber ich hatte keinen besseren.
    * * *
    Es ging bereits auf zweiundzwanzig Uhr zu, und es hatte sich noch immer nichts getan. Kein himmelblauer Wagen weit und breit. Bettinas Wohnung in der Mainstraße blieb unbeleuchtet und leer. Meine Beine waren mir eingeschlafen vom langen Sitzen auf diesem ergonomisch nicht gerade optimal geformten Autositz. Und mir war arschkalt. Aprilwetter den ganzen Tag, feucht und unwirtlich. Ich musste pinkeln. Und was essen. Und die kleinen Fresserchen füttern. Die waren bestimmt schon sauer. Und mich aufwärmen. Dringend. Sonst würde ich krank werden. Bei Max hatte ich mich heute auch nicht blicken lassen. Und um diese Uhrzeit würde mich auf der Intensivstation gewiss niemand mehr mit offenen Armen empfangen. Als ich mich wenigstens telefonisch nach seinem Befinden erkundigen wollte, musste ich feststellen, dass mein Handy keinen Saft mehr hatte. Resigniert fuhr ich heim.

ZWÖLF
    Früh am Morgen positionierte ich mich wieder vor Bettinas Tür. Da stand er endlich, der Micra, himmelblau leuchtend und deutlich sichtbar. Dieses Mal brauchte ich nicht lange zu warten. Knapp eine Stunde später verließ Bettina das Haus.
    Entgegen meinen Befürchtungen war es nicht weiter schwer, ihr unauffällig zu folgen. Der Verkehr auf der A 3 in Richtung Düsseldorf war überschaubar, und Bettina fuhr nicht schnell. Ich versteckte mich hinter einem Kastenwagen, der es ebenfalls nicht eilig zu haben schien, und behielt einfach nur die Ausfahrten vor mir im Auge.
    Am Breitscheider Kreuz verließ der himmelblaue Micra die Autobahn, folgte der alten Bundesstraße Richtung Krefeld und bog bald wieder links in eine schmale Straße ab, die in Richtung des Autobahnkreuzes zurückzuführen schien. Wir fuhren durch eine Siedlung mit Einfamilienhäusern hindurch, und ich wunderte mich, dass hier im Schatten des Breitscheider Kreuzes so viele Menschen lebten. Ein Flieger, bereits im Landeanflug auf den Düsseldorfer Flughafen, schwebte so tief über die Häuser hinweg, dass ich unwillkürlich den Kopf einzog.
    Wir unterquerten eine der Autobahnen und tauchten über eine schmale, holperige Straße in eine sanfte, weite Hügellandschaft mit Wiesen und Feldern ein. In der Ferne sah man Wald. Erstaunlich viel Wald, dachte ich und ließ mich zurückfallen. Ich wollte nicht, dass Bettina auf mich aufmerksam wurde.
    Viel Wald, viele Weiden, viel Grün. Dazwischen ein paar einsame Höfe und Häuser. Idyllisch. Und das in unmittelbarer Nähe zu diesem gigantischen Autobahnkreuz im Düsseldorfer Norden. Ich hatte nicht gewusst, dass es hier so schön war.
    Der Micra verschwand in einer Bodensenke aus meinem Blickfeld. Ich hielt an, den Blick auf die schmale Straße geheftet, die sich aus der Bodensenke heraus weiter in Richtung des Waldrandes schlängelte, bevor sie in einer Linkskurve hinter den Bäumen verschwand. Ich wartete eine Zeit lang, aber der Micra tauchte nicht wieder auf. Bettina musste dort unten irgendwo gehalten haben. Also quetschte ich Max’ Auto notdürftig an ein Brombeergestrüpp am Rande eines Feldweges und hoffte, dass ich damit nicht den Zorn eines Bauern erregen würde. Dann ging ich zu Fuß weiter.
    Unten in der Senke zweigte ein weiterer Feldweg ab, der zu einem alten Hof führte. Vom Micra war nichts zu sehen. Dennoch konnte er eigentlich nur hierhin verschwunden sein.
    Vorsichtig näherte ich mich dem Haus. Altes Fachwerk, windschief und krumm. Die Fensterrahmen bedurften dringend eines Anstrichs, und die große Scheune neben dem Haus sah so aus, als würde sie beim nächsten Windstoß in sich zusammenklappen. Ein paar Krähen pickten auf dem Hof herum, auf dem mittig ein alter Nussbaum stand. Im Schatten des Nussbaumes leuchtete es hellblau. Der Micra.
    Ich schlich mich an eines der klapprigen Fenster des Fachwerkhauses heran und spähte hindurch. Eine Küche. Ein Küchentisch, an dessen Seite hell Bettinas weißblonder Schopf leuchtete. Ihr gegenüber saß eine weitere Person.
    Ich erkannte ihn sofort. Trotz der vielen Jahre, die seit unserer letzten Begegnung verstrichen waren, und obwohl ihm das Haupthaar bis auf einen spärlichen Mönchskranz abhanden gekommen war. Er war, von einem kleinen Bierbauch abgesehen, noch

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