Innenhafen
sich unflätig auf dem Rücken wälzte.
»Ich denke einfach, es wäre für mich sehr viel schöner und eine bessere Zeit gewesen, wenn ich den Mut gehabt hätte, Volker Schlosser die Antwort zu geben, auf die er wartete, anstatt Friedrich Worschek anderthalb Jahre zu widmen und mich von ihm auch noch entjungfern zu lassen.« Plötzlich musste ich gähnen. »Na ja, das weiß ich natürlich nicht. Es ist einfach nur so eine Ahnung.« Ich nahm noch einen Schluck Tee. »Aber eines habe ich aus der ganzen Sache gelernt.«
»Was denn?«, fragte Max neugierig.
»Wenn du was willst, musst du es dir holen und bloß nicht warten …« Ich lachte ihn an, stand auf und setzte mich auf seinen Schoß. »Eine Lektion, die ich Volker Schlosser zu verdanken habe.«
Max umarmte mich willig, während Clyde protestierte und beleidigt das Feld räumte.
Ich saß auf einem Roller, hinten auf der durchgehenden Bank, die mittelbraune Cordjacke direkt vor meiner Nase.
»Schling deine Arme fest um meinen Bauch«, hörte ich Max sagen. »Ganz dicht. Noch dichter. So ist es gut.«
Ich presste mich an seinen Rücken, die Wange an braunen Feincord geschmiegt, und atmete ihn ein, diesen unverkennbaren Geruch. »Halt nicht an«, murmelte ich. »Lass uns einfach so weiterfahren, ganz weit fort.«
Aber er fuhr trotzdem an den Rand.
»Ja, ich will«, sagte ich. »Ich will doch.«
»Echt, Toni? Das ist stark.« Kurti drehte sich zu mir um. Grinste sein Clownsgrinsen. »Weißt du, ich fand dich doch immer schon toll.«
»Du hast seine Jacke geklaut«, sagte ich böse. »Das hättest du nicht tun dürfen.«
»Sonst hättest du dich doch nie so an mich rangeschmissen.« Kurti grinste erneut. »Komm schon, Toni, lass uns Blues zusammen tanzen. Leg deine Arme um mich.«
»Nein, ich will nicht.«
Aber Kurt achtete nicht auf meinen Protest. Zog mich dichter an sich heran, versuchte, mich zu küssen.
Ich trommelte wild mit meinen Fäusten gegen seine Brust. »Lass mich sofort los, oder ich bring dich um!«, schrie ich.
»Schschschsch. Blauer Vogel, du träumst schlecht. Schschsch.« Max strich mir beruhigend über die Haare. »Komm her.« Er kuschelte sich in Löffelhaltung an meinen Rücken und küsste meinen Nacken. »Schlaf weiter, Toni. Schlaf. Ich schick die bösen Träume fort.«
DREI
Bereits früh am Morgen wälzte ich mich unruhig in meinem Bett hin und her. Bilder vom Vortag zogen durch meinen Kopf, Satzfetzen, Szenen. Die Sache ließ mir keine Ruhe. Neubauten … alte, restaurierte Speichergebäude … Hebekräne, die nur noch der Kulisse dienten … Stadterneuerung … Sauereien … Duisburger Innenhafen … Strukturmaßnahmen … Was für Strukturmaßnahmen waren da genau gelaufen? Was war damit gemeint? Bezog sich das nur auf den sogenannten Innenhafen? Oder hatte Kurti damit den eigentlichen Duisburger Hafen gemeint, den Binnenhafen?
»Was bist du denn schon so wach?«, fragte Max verschlafen, leisen Vorwurf in der Stimme. »Es ist noch nicht mal sechs!«
Ich seufzte, rollte mich aus dem Bett und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Schlaf weiter. Ich geh an den Schreibtisch.«
Kurze Zeit später war ich im Netz, einen dampfenden Becher Kaffee neben mir, und fütterte die Suchmaschine mit dem Stichwort »Innenhafen Duisburg«.
Ich blätterte mich durch eine Fülle von Informationen und fand einen Lageplan mit detaillierten Beschreibungen der einzelnen Gebäude, eine Website mit Namen »Innenhafenportal«, Artikel über Grundsteinlegungen, abgeschlossene und geplante Bauprojekte sowie Informationen zum Masterplan der Stadt Duisburg, den ein gewisser britischer Stararchitekt noch vor der Jahrtausendwende entwickelt hatte. Ich erfuhr, wie die einzelnen Gebäude hießen, wer Bauträger gewesen war und wer der Architekt.
»Hier ist verdammt viel Geld geflossen«, murmelte ich nachdenklich. Die ganzen Neubauten, die Restaurierung der alten Kornspeicher, die Grachten, die Wohnhäuser. Dieses Vorzeigeprojekt der Stadt musste Unsummen verschlungen haben. Wer hatte das alles bezahlt? Wie wurden solche gigantischen städtischen Strukturmaßnahmen finanziert? Die Stadt Duisburg war doch ziemlich pleite, so viel wusste ich aus den Nachrichten. Waren Land und Bund daran beteiligt? Wem gehörte das alles überhaupt?
Ich forschte weiter im Netz. Ein paar der Gebäude gehörten eindeutig konkreten Firmen oder hatten explizit mit ihnen zu tun. Alltours beispielsweise, ein Reisebüro, hatte seinen Hauptsitz in einen Neubau am
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