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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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würde ich dich für maßlos arrogant halten.«
    Ich? Arrogant? Für einen Moment verschlug es mir die Sprache. Denn wenn ich etwas nicht sein wollte, dann war das arrogant.
    Aufmerksam sah sie mich an.
    Ich musste schlucken. »Ich mag die Frage nach dem Beruf nicht«, sagte ich schließlich leise.
    »Warum?«
    Ja, warum eigentlich? Bilder aus meiner Kindheit kamen hoch. Szenen einer Ehe, Szenen einer ganzen Familie … »Kannst du dich noch an meinen Vater erinnern?« Ich räusperte mich bedrückt.
    »Ja, und?«
    »Alles war immer so verdammt wichtig. Alles, was er machte, alles, was er sagte, alles um ihn herum und sein ganzer verdammter Beruf. Das war sein Heiligtum. Am allerwichtigsten war es, was andere von ihm dachten, Nachbarn, Kollegen, Freunde. Es war so schrecklich wichtig für ihn, dass er …« Ich suchte nach Worten. »Dass er nicht nur sich selbst permanent diesem Kriterium unterwarf, sondern auch seine Frau und seine Kinder. Sag mir, was einer macht und vor allem, wie viel er verdient, und ich sage dir, was für ein Mensch er ist. Diese Selbstgefälligkeit, diese permanente Selbstdarstellung. Ich kann das auf den Tod nicht ausstehen.«
    »Das war doch bei vielen so.« Gerda blinzelte mir zu. »Glaub mal ja nicht, dass mein Vater anders drauf war. Unsere Eltern und Großeltern hatten im Krieg alles verloren und waren nun stolz darauf, dass sie es wieder zu etwas gebracht hatten. Irgendwie kann ich das sogar verstehen.«
    »Ja. Aber es war ein verdammt gnadenloser Maßstab. Nur das Geld und das Ansehen zählte«, sagte ich bitter. »Nicht etwa das, was jemand im Kopf hatte. Davor habe ich nämlich Respekt, nicht vor Titeln und der blöden Kohle, die jemand in der Tasche hat.«
    »Sag mal«, Gerda blinzelte mir wieder zu. »Hat dein Vater euch nicht immer geweckt und das Frühstück für euch Kinder gemacht?«
    »Ja, stimmt. Und?«
    »Ich war so beeindruckt, als du mir davon erzählt hast. Meiner hätte das nie getan. Dafür war meine Mutter zuständig. Die Frau hatte dem Mann im Haus und den Kindern das Frühstück zuzubereiten, in genau dieser Reihenfolge.«
    »Meine Mutter war eine Nachteule. Sie hat immer lange geschlafen«, murmelte ich.
    »Eben.«
    »Was willst du damit sagen?«, fragte ich verwirrt.
    Gerda bedachte mich mit einem Blick, der spöttisch und klug zugleich war. »Du hast deinen Vater doch öfter im Büro abgeholt. Und dann seid ihr zusammen losgezogen. Eis essen oder einkaufen, Klamotten und so. Du hattest diesen superschicken Cordmantel. Den hast du mit ihm zusammen gekauft.«
    »Daran erinnerst du dich noch?«
    »Klar. Ich fand, dass dein Vater echt klasse drauf ist. Meiner hätte das nie gemacht. Mit mir einkaufen gehen? Das wäre unter seiner Würde gewesen.« Gerda lachte. »Natürlich ist das anstrengend, dieses ewige Bemessen an dem, was man erreicht hat. Heute genauso wie eh und je. Nur ist verflixt noch mal nicht jeder ein machtgeiler, reicher Sack, der einem vernünftigen Beruf nachgeht. Freu dich doch lieber, dass es Matthes so gut ergangen ist. Oder Ines. Und vertrau ein bisschen auf deine alte Clique. Wir sind alle keine selbstgefälligen Angeber geworden. Du warst nicht umsonst mit uns befreundet.«
    Touché. Ich schlug den Blick nieder. Kluge Gerda. Sie hatte verdammt recht.
    Eine Weile schwieg ich.
    »Hallo, jemand zu Hause?« Gerda wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum.
    »Oh, sorry.« Ich lächelte sie an, griff nach ihrer Hand und drückte sie fest. »Und danke.« Dann versuchte ich, mich wieder auf das eigentliche Thema zu konzentrieren.
    Kurti. Kindersachen. Gerda hatte Kindersachen bei ihm abgeholt.
    »Wie sah denn Kurts Wohnung aus?«, fragte ich. »Du warst doch drin, oder?«
    »Wie meinst du das? So wie immer, würde ich sagen.« Dann schien ihr ein Gedanke zu kommen. »Nein. Etwas war doch anders«, schob sie prompt nach. »Neue Möbel im Wohnzimmer. Und alles war picobello, tipptopp. Offenbar hatte er irgendwelche Heinzelmännchen, die ihm halfen. Früher war die Wohnung nicht so aufgeräumt.«
    Also doch kein Pingel, der Kurt. »Vielleicht Bettina?«
    »Glaube ich nicht. Wie gesagt, früher sah die Wohnung nicht so aus, und da lebte Bettina noch bei ihm. Sie ist doch erst vor drei Jahren ausgezogen. Ich meine, es war nie dreckig oder so. Aber so ordentlich wie jetzt auch nicht. Ich tippe auf eine Putzfrau.«
    »Oder eine neue Freundin?«, schlug ich vor.
    »Mir hat er keine vorgestellt.«
    »Aber du hast ihn zwei Monate nicht gesehen, da kann doch

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