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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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dass er verheiratet war. Schwer verheiratet, der Breite des Ringes nach zu urteilen.
    »Ich untersuche den Tod von Herrn Türauf.« Ich ließ mich unaufgefordert auf dem Besucherstuhl schräg vor seinem Schreibtisch nieder. Ein Freischwinger, viel Stahl und Leder. Sehr schick, aber verdammt unbequem, stellte ich fest.  Außen hui, innen pfui , mischte sich Großmutter mal wieder ein. Da hatte sie recht.
    »In wessen Auftrag?« Die Stimme des Bankdirektors klang vorsichtig.
    »Seine Tochter hat mich gebeten.«
    »Bettina.« Er nickte bedächtig. »Die Polizei war bereits hier.«
    »Das mag sein. Das eine schließt das andere jedoch nicht aus.« Ich suchte seinen Blick und lächelte ihn an. »Außerdem waren wir befreundet, also Herr Türauf und ich.« Früher jedenfalls, berichtigte ich mich insgeheim, und eine seltsame Traurigkeit nahm von mir Besitz.
    »Ich habe nicht viel Zeit.« Die Geste, die er machte, drückte gleichzeitig Abwehr und Resignation aus. »Womit kann ich Ihnen helfen?«
    »Erst mal mit Ihrem Namen. Damit ich weiß, mit wem ich gesprochen habe.« Ich setzte ein charmantes Lächeln auf. »So viel Zeit muss sein.«
    »Äh … ja.« Er räusperte sich irritiert. »Dr. Behrends.«
    »Danke. Herr Türauf hat schon lange bei Ihnen gearbeitet?«
    »Ja, er ist seit knapp dreißig Jahren bei uns beschäftigt. Wir haben ihn nach der Ausbildung übernommen.«
    »Welche Position hatte er hier inne?«
    »Angefangen hat er als Schalterbediensteter, wie jeder Auszubildende. Er ist danach lange Zeit im Kundenservice gewesen. Konteneröffnungen, Sparverträge … Die letzten acht Jahre war er im Bereich der Kreditvergabe tätig.«
    »Ist das eine typische Karriere?«
    »Das nicht gerade. Aber Herr Türauf war absolut kein Karrieretyp – leider.«
    »Was soll das denn heißen?« Fragend hob ich eine Braue in die Höhe. »Wollte er nicht oder sollte er nicht?«
    »Also bitte! Was soll denn diese Unterstellung?«
    »Keine Unterstellung. Eine einfache Frage«, sagte ich sanft.
    »Herr Türauf war ein guter Sachbearbeiter«, antwortete Dr. Behrends steif. »Aber für eine darüber hinausgehende Laufbahn war er … äh … nicht geeignet.«
    »Wie meinen Sie das? Was für Qualitäten braucht es denn, um hier Karriere zu machen?«
    »Nun – die Berufserfahrung für eine leitende Funktion hatte er natürlich. Aber es fehlte ihm einfach an Dynamik.«
    »Aha.« Ich versuchte, eine bequemere Position auf dem Freischwinger zu finden. Es gelang mir nicht. »Hat er das denn auch so gesehen? Mir wurde erzählt, dass er ziemlich sauer war, als ihm eine jüngere Kollegin vor die Nase gesetzt wurde.«
    Dr. Behrends breitete die Hände zu einer erklärenden Geste aus. »Die Kollegin, die sich ebenfalls um diese Position bemüht hat, war nun mal deutlich qualifizierter als Herr Türauf«, sagte er und lächelte entwaffnend.
    »Jünger«, sagte ich trocken. »Deutlich jünger. Und ich habe immer gedacht, Erfahrung im Berufsleben würde auch eine Rolle spielen.«
    »Wir … äh …« Dr. Behrends räusperte sich umständlich. »Ich weiß, dass …«, setzte er erneut an und unterbrach sich wieder.
    Auffordernd sah ich ihn an.
    »Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden«, sagte er schließlich ärgerlich. »Als Vorgesetzter hätte ihn einfach niemand ernst genommen.«
    »Verstehe. Herrn Türauf wurde aber auch verwehrt, in einen anderen Bereich zu wechseln. Die Anlageberatung hat ihn interessiert, wenn ich richtig informiert bin. In diesem Fall ging es nicht um eine leitende Position. Oder doch?« Mit schräg gelegtem Kopf wartete ich auf Antwort.
    »Wie schon gesagt …« Er hüstelte. »Lassen Sie uns auch hier Klartext reden. Dynamik! Das fehlte ihm. Man kann das drehen und wenden, wie man will. Anlageberatung ist ein äußerst sensibler Bereich. Hochsensibel. Dazu fehlte es ihm einfach an Talent. An Gespür für die dramatische Dynamik dieses Geschäftszweiges. Ein Wechsel in die Anlageberatung wäre also ebenfalls nicht im Sinne der Bank gewesen. Ich habe hier ein Unternehmen zu leiten, keine Sozialstation.«
    Der Kerl begann, Krallen zu zeigen. »Ach. So viel also zur ›sozialen‹ Marktwirtschaft.« Ich lächelte sarkastisch. Mein Handy signalisierte mit einem leisen Klingelton einen eingehenden Anruf. »Sie entschuldigen bitte.« Ich holte das Mobiltelefon aus der Außentasche meines Rucksacks und schaltete das Gerät aus. »War das eigentlich ein Dienstwagen, mit dem Kurt Türauf verunglückt ist?«
    »Äh

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