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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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eine Menge passiert sein, oder?«
    Gerda fegte meinen Einwand mit einer Handbewegung beiseite. »Nicht bei Kurt. Der brauchte allein drei Monate, um eine Frau überhaupt mal anzusprechen. Bis dahin waren wir längst informiert. Außerdem«, jetzt lachte sie, »hat er uns dann immer um Rat gefragt.«
    Über eine geplante Heirat war sie eindeutig ebenfalls nicht informiert, so viel stand fest. »Weißt du was über Umzugspläne?«, wagte ich einen weiteren Vorstoß.
    Gerda sah mich überrascht an. »Davon hat er nichts erzählt.«
    »Eine Erbschaft vielleicht, oder der Tod eines Verwandten?«
    »Ein Onkel von ihm ist vor einiger Zeit gestorben«, sagte Gerda. »Aber viel war da nicht zu holen, hat er erzählt. Warum fragst du?«
    »Hat er mal was über Sauereien gesagt im Zusammenhang mit dem Innenhafen?«
    »Sauereien? Meinst du etwa schmutzige Witze, oder was?« Sie grinste. »Nein. Witze hat er eigentlich nur über sich selbst gemacht. Über den Innenhafen haben wir nie geredet.«
    Stille Wasser sind tief , hörte ich die Stimme in meinem Kopf sagen. Aber er war doch gar nicht still, Großmutter!
    Ines war die Nächste, die an meinem Tisch Platz nahm. Und offensichtlich auch die Letzte, mit der ich heute sprechen würde, denn während sie sich setzte, registrierte ich, dass Volker und Barbara bereits bezahlten.
    »Eine plötzliche Kopfschmerzattacke«, klärte Ines mich auf, die meinem Blick gefolgt war. »Das hat sie öfter mal.«
    »Aha.«
    »Wenn du sie noch brauchst, sollst du sie anrufen.« Ines schob mir einen Zettel mit einer Telefonnummer über den Tisch.
    Tja, Blauvogel, selbst schuld. Eine Diva soll man eben nicht warten lassen. Ich beobachtete, wie Barbara sich von Volker in die Jacke helfen ließ. Im Gehen warf sie mir eine Kusshand zu und winkte. Dann verließen sie das Lokal. Zusammen. Alte Närrin, schalt ich mich leise.
    Ines beobachtete mich, und ich merkte, dass ich meinen Mund abschätzig verzogen hatte. Schnell bemühte ich mich um einen neutralen Gesichtsausdruck.
    »Was hast du eigentlich gegen Barbara?«, fragte sie prompt.
    »Ich … äh … nichts. Warum fragst du?««
    »Na, weil du sehr schnell mit deinen Urteilen bist.«
    Ich sah sie betreten an. »Wie meinst du das?«
    Ihr Gesicht überzog sich mit einer heftigen Röte, und sie biss sich auf die Lippen. Aber ihr Blick verriet, dass sie jetzt keinen Rückzieher machen würde. »Du weißt doch gar nichts über mein Leben. Oder über das von Gerda. Oder Barbaras. Du lässt dich jahrzehntelang nicht blicken und trampelst jetzt hier wie ein«, sie suchte nach Worten, »wie ein unsensibler Elefant auf uns herum.«
    »Aber …« Ich schluckte eine hitzige Antwort herunter. Denn insgeheim wusste ich, dass sie recht hatte.
    »Barbara hat einfach eine Menge Pech gehabt«, sagte Ines leise.
    »Das wusste ich nicht. Was ist denn passiert?«
    »Sag ich doch. Du weißt eine ganze Menge nicht.« Ines suchte meinen Blick und hielt ihn fest. Unnachgiebig, trotz ihrer Schüchternheit und der Röte in ihrem Gesicht. »Frag sie am besten selbst.«
    Ich hielt ihrem Blick zunächst stand. Dann schlug ich die Augen nieder. »Tut mir leid. Das ist … das wollte ich wirklich nicht. Ich bin zurzeit nicht gut drauf, irgendwie.« Blöde Erklärung, dachte ich ärgerlich. Aber Ines schien sie zu schlucken. Zumindest akzeptierte sie meine Entschuldigung, wie ich an ihrem zaghaften Lächeln sah.
    »Schon gut, Schwamm drüber. Was willst du denn jetzt über Kurt wissen?«
    Ich stellte ihr meine Fragen. Aber auch Ines wusste weder von einer neuen Freundin noch von einer Erbschaft oder von einem geplanten Wohnungskauf, und auch nichts über irgendwelche Sauereien, denen Kurt auf der Spur gewesen war. So viel sie auch über ihn erzählte, Kurt blieb, was er immer gewesen war: Kurti, der Klassenclown, der immer ein bisschen zu kurz gekommen, allen etwas auf die Nerven gegangen und trotzdem ein feiner Kerl gewesen war.
    Ich verließ den »Finkenkrug« mit einem leichten Gefühl der Beschämung.

FÜNF
    Die Duisburger City hatte sich mächtig gemausert. Ich konnte mich zwar nicht mehr exakt daran erinnern, wie es hier während meiner Schulzeit ausgesehen hatte, aber ich hatte noch vage Bilder von viel Verkehr und von einer Straßenbahn im Kopf, die sich über die Haupteinkaufsstraße quälte, von schmuddeligen Gebäuden und dem verrußten Dunst einer Stadt, die von der Stahlverarbeitung geprägt gewesen war. Die Kupferhütte in Hochfeld hatte in ebenso regelmäßigen

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