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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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widerwillig zu. »Aber eine Sache verstehe ich nicht. Wenn sie doch solche Angst hat, warum war sie dann plötzlich bereit, mit uns zu reden?«
    Ich runzelte die Stirn und dachte nach. »Weil sie gestern heiraten wollten«, sagte ich schließlich langsam. »Und jetzt kommt neben der Angst und der Trauer auch Wut hervorgekrochen. Deswegen hat sie angerufen.«
    »Klingt logisch. Auf jeden Fall tut sie mir leid. Ich weiß nur nicht, wie man ihr helfen kann.«
    Ich musste grinsen. Ein verhinderter Goldritter, der arme Kerl. Plötzlich sah ich Barbara vor mir, mit ihrem geschorenen Kopf und den großen Sinéad-O’Connor-Augen.
    »Sag mal, was ist eigentlich mit Barbara los?«, wechselte ich das Thema. »Ines hat so komische Andeutungen gemacht.«
    Volker warf mir einen kurzen Blick zu, prüfend irgendwie. Dann konzentrierte er sich wieder auf den Verkehr. »Sie hat sehr häufig heftige Kopfschmerzattacken«, sagte er ruhig.
    »Wechseljahre?«, schlug ich ironisch vor. »Da müssen wir alle durch.«
    »Nein, es sind nicht die Wechseljahre. Geht’s vielleicht auch mal ohne bissige Bemerkungen?«, fuhr er mich an.
    »Hä? Wie meinst du das?«
    »Na, jedes Mal, wenn es um Barbara geht, muss ich mir irgendwelche dummen Sprüche von dir anhören.« Er warf mir einen bösen Blick zu.
    Ich schluckte. »Was ist es dann?«
    »Barbaras Mann war ein Schläger. Zuletzt hat er sie so zugerichtet, dass sie nur knapp einer Querschnittlähmung entgangen ist. Seitdem ist sie berufsunfähig.«
    »Oh …« Ich schwieg betreten.
    Auch Volker schwieg.
    »Aber sie ist doch eine starke Frau«, wandte ich schließlich ein. »Warum hat sie das denn mitgemacht?«
    Volker sah mich an. »Na, aus Angst natürlich. Er hat ihr gedroht, dass er sie überall finden würde.« Er konzentrierte sich wieder auf die Fahrbahn. »Außerdem trügt der Schein. Barbara ist alles andere als stark. Sie hat nur inzwischen einen Weg gefunden, auf dem sie halbwegs sicher gehen kann.«
    Ich wusste nichts darauf zu sagen.
    Die Ampel am Polizeipräsidium sprang gerade auf Rot, als wir den Haumannplatz erreichten. »Lass mich hier raus«, bat ich. »Ich möchte noch ein paar Meter zu Fuß gehen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang ich aus dem Auto und steuerte auf den Park zu, der hinter dem Präsidium lag. Ich brauchte Bewegung, frische Luft und einen klaren Kopf. Nicht zuletzt, um das Gefühl der Beschämung loszuwerden, das sich schon wieder in mir breitmachte.
    * * *
    Nachdem Max endlich vom Schreibtisch aufgestanden war, packte er schon wieder seine Reisetasche für den nächsten Tag.
    »Warum musst du eigentlich schon am Sonntag los?« Mein Tonfall war seltsam quengelig, und ich biss mir erschrocken auf die Lippen. Denn quengeln wollte ich nun wirklich nicht.
    Max seufzte. »Ich muss an dem System einiges umkonfigurieren, um die Sicherheitslücken zu schließen. Dabei würde ich wochentags die Anwender stören. Und in der Woche laufen abends etliche Nachtverarbeitungen. Also bleibt nur das Wochenende.«
    Ich weiß, dachte ich resigniert. So ist das nun mal in unserer verdammten Branche.
    »Nur zwei Nächte diesmal.« Max nahm mich in die Arme. »Dann ist das Projekt abgeschlossen und erst mal Ruhe mit der Fahrerei.«
    »Das ist gut«, sage ich. Und merkte gleichzeitig, dass ich keine Freude spürte, nur eine seltsame Gleichgültigkeit, so, als sei es mir egal. Das bedrückte mich.
    Den Abend verbrachten wir mit den Resten des Festessens vom Vortag. Wir tranken ein Gläschen, aber nur eines, und wurden dadurch endlich die Kopfschmerzen los, die uns den ganzen Tag begleitet hatten. Wir spielten mit den Katzen, vermieden die Themen Arbeit, Schreibtisch, Urlaub und Kurti, sahen fern und entspannten uns weitestgehend.
    Nur richtig miteinander reden über das, was in uns vorging, was uns bedrückte, das taten wir nicht.

ACHT
    Die ganze Fahrt über herrschte Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Woran Volker dachte, wusste ich natürlich nicht. Ich jedenfalls dachte an Max. Dachte daran, dass er schon wieder unterwegs zu einem Kunden war, mehrere hundert Kilometer weit weg, und dass er ganz schön geschafft sein musste nach diesem Wochenende, das ja noch nicht mal ein komplettes Wochenende gewesen war. Schließlich hatte er am Vortag noch von zu Hause aus gearbeitet, und der feuchtfröhliche Freitagabend war auch keine Erholung gewesen. Wir müssen reden, dachte ich zum wiederholten Male. Aber je mehr ich das Gefühl hatte, dass wir das tun sollten, desto

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