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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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aus, und Würde. »Junger Mann. Ich glaube, Sie wollen mich auf den Arm nehmen!«
    »Gewiss nicht, Herr Schröder. Aber vielleicht ist Ihr Julius ja bei dieser Jagdhütte.«
    Der Trick ging nach hinten los. »Haben Sie meinen Julius gesehen?«, brabbelte der alte Herr wieder. Dieses Mal hielt er mir das Foto unter die Nase. Ich nahm es an mich und betrachtete es pflichtschuldig.
    »Sehr hübsch, Ihr Julius«, sagte ich freundlich und gab ihm das Foto wieder.
    Volker zupfte mich am Ärmel. »Vergebene Liebesmüh«, flüsterte er mir ins Ohr und wies mit den Augen zur Tür.
    »Tja, Herr Schröder, wir müssen dann mal …« Ich stand auf und reichte dem Alten die Hand. Während Volker bereits den Raum verließ, glitt mein Blick erneut über die gerahmten Fotos an der Wand und blieb an dem Bild von der Hütte hängen. Ich ging hinüber und betrachtete es. Die Hütte war aus Holz. Dahinter Wald. Ein Mann mit geschultertem Gewehr davor. Grüne Filzjoppe, Hut mit Gamsbart. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass der Jäger Gerhard Schröder in jüngeren Jahren sein musste. Zu seinen Füßen ein Hund. Ein Setter. »Ist das hier Ihr Julius?« Ich nahm das Bild von der Wand und reichte es dem alten Herrn.
    »Der Julius, jaja. Haben Sie ihn gesehen?«, fragte er aufgeregt.
    »Nein, leider.« Ein letzter Versuch. »Wo ist denn die Aufnahme entstanden? Vielleicht ist Ihr Julius ja dort bei der Hütte?«
    »Eine Hütte? Wieso soll denn der Julius in einer fremden Hütte sein?« Der Alte sah mich verwirrt an.
    »Es ist doch Ihre Hütte, nicht wahr? Wo steht sie denn, die Hütte?«
    Ratlos zuckte er mit den Schultern. Sein Blick wurde seltsam leer, kehrte sich nach innen und verlor sich. Behutsam nahm ich ihm die gerahmte Fotografie aus den Händen, um sie wieder an ihren Platz zu hängen. Auf der Pappe der Rückwand stand etwas. Es fiel mir schwer, die blasse, krakelige Schrift zu entziffern. Aber es gelang. »Julius und ich vor der Jagdhütte Olef, Hellenthal 1986«, las ich. Olef. Das sagte mir was. Es gab eine gleichnamige Talsperre inmitten der dichten Wälder nahe der belgischen Grenze.
    »Vielen Dank, Herr Schröder.« Ich ging neben ihm in die Hocke, nahm seine kalte Hand in beide Hände und hielt sie einen Moment. Er schien die Berührung zu genießen, denn er schloss die Augen. »Sie haben uns wirklich sehr geholfen.« Eine Weile blieb ich so neben ihm hocken und strich zart mit dem Daumen über die altersgefleckte Haut. Plötzlich hatte ich einen dicken Kloß in der Kehle und merkte, wie mir die Tränen in die Augen traten.
    »Haben Sie meinen Hund gesehen, den Julius?«, fragte er bittend. Bedrückt verließ ich das Zimmer.
    Volker wartete in dem großen Wohnraum auf mich, der zu dieser Wohngruppe gehörte. Der Raum machte einen freundlichen Eindruck. Mehrere Sitzgruppen aus Rattan, große Fensterfronten und ein Küchenblock im hinteren Bereich des Raumes. Ein großer Esstisch aus Holz, an dem ein paar alte Menschen unter Anleitung einer Pflegerin Mensch ärgere dich nicht spielten. Im Hintergrund dudelte Musik. Ein paar Pflanzen sorgten für Grün.
    »Na, das war ja mal ein Schuss in den Ofen.« Volker warf mir einen zornigen Blick zu.
    »Du bist einfach zu ungeduldig«, sagte ich leise und wischte die Träne fort, die mir über die Wange lief. Ich schnäuzte mich kräftig. Langsam wich die Beklemmung aus meiner Brust, die die Begegnung mit dem senilen alten Mann in mir ausgelöst hatte.
    »Was heißt hier ungeduldig? Bei dem ist nichts mehr zu holen.«
    »Ich weiß aber trotzdem, wo wir hinmüssen.« Ich schnäuzte mich noch einmal kräftig und räusperte den letzten Rest des Kloßes aus meiner Kehle fort, der sich dort eingenistet hatte. Dann grinste ich Volker an. »Lust auf einen Ausflug in die Hocheifel?«
    * * *
    Die Hütte war tatsächlich sehr karg eingerichtet. Ein einziger Raum nur. Eine Spüle mit einem klapprigen Regal darüber. In der Spüle stand benutztes Geschirr. Auf der Ablage ein zweiflammiger Gaskocher, daneben eine angebrochene Flasche Rotwein und ein noch eingeschweißtes Stück Gouda. Eine Eckbank, davor ein kleiner Tisch. Eine Kolonie von Ameisen schlängelte sich zum Küchentisch hoch und werkelte an einem Kanten schimmeligen Brotes und ein paar welligen, angetrockneten Käserinden herum, um dann bepackt mit Krümeln den gleichen Weg wieder zurückzukehren.
    »Haben saubere Arbeit geleistet, die Kerlchen.« Ich packte Brot und Käserinden mit spitzen Fingern und warf sie in die Tonne vor

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