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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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der DDR gearbeitet.«
    Ich versuchte, ihr Alter zu schätzen. Nach dem Studium ein paar JahreDDR? Sie musste die Vierzig weit überschritten haben. So wie ich.
    »Also Übersetzungsarbeiten für die Ruhrcity-Bank«, griff ich den Faden wieder auf. »Und da haben Sie dann Kurt kennengelernt?«
    »Ja, das habe ich.« Sie lächelte. »Es ging um eine Vertragsübersetzung, lauter juristische Klauseln. Europäisches Recht und deutsches Recht. Die hat er in Auftrag gegeben.«
    »Hm«, stimmte ich zu und fragte mich, was sie uns eigentlich erzählen wollte. Schweigend betrachtete ich sie.
    »Und dann?«, fragte Volker. »Was ist dann passiert?«
    Sie zögerte, doch schließlich gab sie sich einen Ruck. »Ein paar Papiere hat Kurt sich von mir unter der Hand übersetzen lassen. Das war, als wir uns auch schon privat trafen.«
    »Ja?«
    »Es handelte sich um Korrespondenzen mit einer russischen Firma. Also, zumindest die Sprache war russisch«, korrigierte sie sich. »Auf jeden Fall keine Arbeit von uns. Ein anderes Übersetzungsbüro, Sie verstehen?«
    »Und Kurt wollte wissen, was in diesen Korrespondenzen stand.«
    »Genau. Sie waren von seinem Chef unterzeichnet.«
    »Von Behrends?«
    »Ja, von Dr. Behrends.«
    Ich runzelte die Stirn. »Kam es öfter vor, dass Behrends auf ein anderes Übersetzungsbüro zurückgriff?«
    »Nein. Zumindest war das Kurt nicht bekannt. Deshalb ist er ja auch misstrauisch geworden.«
    »Und worum ging es in diesen Korrespondenzen?«
    »Um Firmengründungen und um Kredite. Um Subventionen. Und um stille Teilhaberschaften.«
    Ich runzelte wieder die Stirn. Subventionen und stille Teilhaberschaften bei Firmengründungen. Das sagte mir wenig.
    »Können Sie sich noch an die Namen dieser Firmen erinnern?«, fragte Volker ruhig. »Also an die Namen, um die es bei den Firmengründungen ging?«
    »Eine Firma in Lettland, Riga, wenn ich mich richtig erinnere.« Irina zuckte mit den Schultern. »Irgendeine Investmentfirma, glaube ich.«
    »Und weiter?«
    »Eine Firma in Holland. Venlo war das. Davon habe ich aber wirklich nichts mehr behalten.«
    »Schade«, sagte Volker.
    Ich hatte Irina beobachtet, während sie sprach. Und hatte den Eindruck, dass sie jetzt mauerte.
    »Und was sagte Kurt dazu?«, wollte ich wissen.
    »Er sagte, er sei einer ziemlichen Sauerei auf der Spur. Es ginge um sehr viel Geld.«
    »Aber er hat nicht genau gesagt, was los war?«
    »Nein. Vor zwei Monaten wurde er plötzlich so komisch. Er sprach von Heirat und davon, dass er uns ein schönes Zuhause kaufen würde. ›Woher hast du denn so viel Geld?‹, habe ich ihn gefragt.«
    »Und? Hat er es erklärt?«
    In ihren Augen schimmerte es feucht. »Er wollte nicht. Er hat gesagt, es sei besser für mich, wenn ich nicht zu viel wüsste. Und dann hat er mir diese wunderbare Wohnung gezeigt«, sagte sie leise.
    »Die am Innenhafen, ja?«
    Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Der dumme Kerl. Woher er das ganze Geld hatte, wollte ich wissen. Aber er wollte mir immer noch nichts verraten. Und jetzt ist er tot.«
    »Und Sie haben eine frische Narbe im Gesicht. Sie sollten damit zu einem Arzt gehen. Was ist passiert?«
    Irinas Finger tasteten über den roten, aufgeworfenen Wulst auf ihrer Wange. Dann schüttelte sie ablehnend den Kopf.
    »Wir würden Ihnen gerne helfen.« Volker sah sie eindringlich an. »Aber das können wir nur, wenn wir wissen, was passiert ist.«
    »Nicht der Rede wert«, sagte sie wieder und sah weg. Ihre Stimme klang schroff. Schroff wie der Schorf auf ihrer Wange.
    Volker warf mir einen ratlosen Blick zu. Ich zuckte mit den Schultern.
    »Haben Sie die Übersetzungen noch?«, fragte Volker schließlich.
    Sie stand auf und sah aus dem Fenster. Betastete den wulstigen Schnitt in ihrem Gesicht. Zog mit der anderen Hand die Spuren nach, die ein Regentropfen auf der Scheibe hinterlassen hatte.
    Volker warf mir erneut einen Blick zu. Übernimm du mal wieder, signalisierte er.
    Ich betrachtete den geraden Rücken von Irina. Sie wirkte unnahbar, ablehnend, und dennoch absolut hilfsbedürftig. Schon wieder eine Frau, die schutzbedürftig wirkte. An den Beschützerinstinkt im Mann appellierte, rehäugig und zart. So langsam hatte ich die Schnauze voll davon. Falsch, korrigierte ich mich augenblicklich. Diese hier war weder rehäugig noch zart. Und den Goldritter zauberte sie bei Volker auch nicht hervor. Zu alt? Oder zu hässlich? Und wieder korrigierte ich mich. Augenblicklich. Denn älter als Barbara war

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