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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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wurde die Krupp-Siedlung in ihrer historischen Form später wiederhergestellt.«
    »Aha. Und wo können die Leute hier einkaufen?«
    »Ganz in der Nähe gibt es einen Edeka-Markt. Der versteckt sich hinter altehrwürdigen Fassaden, hat aber alles, was das Herz begehrt.«
    »Na, dann geh ich wohl mal shoppen.«
    »Herzhaft, nicht süß«, instruierte ich ihn, während er sich die Schuhe anzog. »Und möglichst Käse, aber nicht gerade jungen Gouda. Eventuell rohen Schinken, aber dann ganz dünn geschnitten bitte. Luftgetrocknete Salami geht auch. Und bitte Körnerbrötchen.«
    »Sonst noch was?«, fragte er amüsiert. Er öffnete die Tür.
    »Ein bisschen Obst wäre schön«, rief ich ihm hinterher. »Und vergiss die Zahnbürste nicht!«
    »Das gibt’s doch nicht. Die Straße hier heißt ›Trautes Heim‹«, sagte Volker vergnügt, als er mit drei prall gefüllten Beuteln in der Hand die Wohnung wieder betrat. »Das wäre mir ja ziemlich peinlich, wenn ich das als meine Wohnadresse angeben müsste.«
    »Sag das bloß nicht zu laut.« Ich lachte und nahm ihm die Tüten ab. »Auf ihre Maggihöhe lassen die hier nichts kommen. Es gibt unglaubliche Wartelisten, um ein Häuschen oder eine Wohnung in der Siedlung zu ergattern. Ohne Beziehungen kaum zu machen.« Ich packte die erste Tüte aus. »Mmmh, Vanillejoghurt«, sagte ich anerkennend.
    »Stehst du etwa auch auf der Warteliste?« Volker begann, diverse Käsesorten auf einem Teller zu drapieren.
    »Nö. Tue ich nicht. Ich finde das zwar absolut hübsch hier, wirklich. So behütet irgendwie. Aber auch verdammt eng.« Ich stapelte Äpfel, Bananen und Kiwis auf einem Teller zu einem dekorativen Berg. »Die schmalen Sträßchen, die Nachbarn, die dir quasi auf den Teller spucken können, diese engen Räume in den kleinen Hucken. Wenn ich Kinder hätte, wäre das was anderes. Oder wenn ich ein alter Mensch wäre, noch deutlich älter als jetzt, meine ich. Dann würde es mir ein Gefühl von Geborgenheit geben, von Aufgehobensein.«
    »Kleinklein für kleine Leut’.«
    »Wunderschönes Kleinklein«, verbesserte ich ihn. »Und kleine Leut’ wohnen hier kaum noch, soweit ich weiß. Eher der gehobene Mittelstand.«
    »Ich wollte niemanden beleidigen. Ist mir nur so eingefallen, ein Wortspiel«, beeilte sich Volker zu sagen.
    Ich grinste. »Schon gut. Mich kannst du damit nicht treffen. Aber ich bin froh, dass es solche Stadtteile im Ruhrgebiet noch gibt. Sag mal«, misstrauisch hob ich eine Zellophantüte hoch und begutachtete, was dort auf dem weißen Etikett zu lesen stand. »Schweinemedaillons, tausend Gramm?«
    »Ich hatte mir Schweinemedaillons mit Gorgonzolacreme und selbst eingekochtem Birnenmousse heute Abend vorgestellt«, sagte Volker harmlos. »Und wie ist Bea an dieses Schmuckstück von Puppenstube gekommen?«
    »Soweit ich weiß, ist sie hier groß geworden. Nicht in dieser Wohnung, aber auf der Margarethenhöhe. Sie hat mal erzählt, sie könne sich ein Leben in einem anderen Stadtteil nicht vorstellen. Wenn schon Essen, sagt sie, dann hier. Damit sie die Großstadt vergessen kann. Und weil sie in der Gegend Hinz und Kunz kennt, hat sie dann auch tatsächlich schnell eine Wohnung bekommen.« Ich hob das Paket mit den Medaillons noch mal hoch. »Aber gleich acht Stück? Wie lange, meinst du, müssen wir – muss ich«, verbesserte ich mich, »denn hier noch ausharren? Ich komme mir vor wie eine Aussätzige in Quarantäne.«
    »Ich kaufe immer zu viel ein«, erwiderte Volker lachend. »Das mit den Mengen habe ich einfach nicht im Griff.«
    Das ist doch sonst mein Text, dachte ich betreten. Unsere Blicke trafen sich und blieben aneinander hängen. Abrupt riss ich den Kühlschrank auf und knallte das Fleisch hinein. »Ich putze mir noch schnell die Zähne. Kaffee habe ich schon gemacht, steht auf der Maschine.« Fluchtartig verließ ich die Küche.
    »Also: Du hast nachgedacht«, führte ich Volker zu seinem Ausgangsthema zurück, während ich mir ein Brötchen mit Sonnenblumenkernen erst mit Butter bestrich und dann dick mit Käse belegte. »Und was ist dabei herausgekommen?«
    »Du arbeitest doch bei der Landeszentrale für Polizeidienste.«
    »Ja, und?« Ich warf ihm einen überraschten Blick zu. Dabei registrierte ich, womit er sich da gerade seine Semmel bestrich. »Wie kann man nur Nutella essen? Vermutlich klatschst du dir auch ganze Negerküsse zwischen die Brötchenhälften.«
    »Na, na, na! Schokokuss bitte. Politisch immer hübsch korrekt bleiben,

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