Innenhafen
Gänge.«
»Dann bleib hier.« Ich vermied es, in Volkers Novemberaugen zu sehen, und wusste plötzlich nicht mehr, was ich sagen sollte.
Auch Volker schwieg.
»Hör zu«, sagte ich schließlich leise, als das Schweigen unangenehm zu werden begann. »Wir haben doch neulich alles geklärt. Falscher Zeitpunkt, falsches Timing. Ich mag jetzt einfach nicht allein sein, das ist alles. Vielleicht können wir noch ein bisschen zusammen fernsehen, wenn noch was halbwegs Erträgliches kommt. Und dann will ich einfach nur schlafen, mehr nicht. Ich kann auch die Couch nehmen. Eine Seite im Bett wäre mir allerdings lieber. Ist bequemer.« Ich brachte ein Grinsen zustande und legte fragend den Kopf schief.
Er grinste zurück, griff nach meiner Hand und drückte sie kurz. »In Ordnung. Ein Film wäre prima.«
Wir ließen die Küche so unaufgeräumt, wie sie war, zappten uns durch die Kanäle und blieben an einem Columbo hängen, der gerade erst angefangen hatte. Irgendwann schlief Volker ein. Sein Kopf sank schwer an meine Schulter.
Ich stellte den Ton leiser und lauschte seinem tiefen Atmen, während ich den Film zu Ende sah. Ich hatte ein merkwürdiges Gefühl der Vertrautheit.
»Komm schlafen«, sagte ich schließlich und schaltete den Fernseher mit der Fernbedienung aus. Ich knuffte ihn leicht, um ihn zu wecken. »Hier holst du dir nur einen steifen Hals.«
Er schlief augenblicklich wieder ein, sobald er sich ins Bett gelegt hatte. Im Schlaf drehte er sich zu mir um und schlang die Arme um mich. Ich lauschte dem Ticken des Weckers und den ruhigen Atemzügen neben mir, dachte an Max in seinem Krankenhausbett, an Bonnie und Clyde, die jetzt vermutlich unruhig auf mich warteten, und daran, dass ich mir ein neues Auto würde kaufen müssen.
Endlich schlief auch ich ein.
* * *
»Also, wie gehen wir jetzt vor?« Volkers Stimme klang verdächtig munter. Und Morgenmenschen waren mir zutiefst suspekt.
»Weiß nicht.« Ich gähnte.
Er musterte mich überrascht. »Hast du nicht gut geschlafen?«
»Geht so. Hat ein bisschen gebraucht, bis ich einschlafen konnte. Mir ging der ganze Mist nicht aus dem Kopf. Ich habe immer Max vor mir gesehen, wie er mit den ganzen Schläuchen da in diesem sterilen Bett liegt.«
»Kann ich verstehen. Das würde mir auch nicht aus dem Kopf gehen, wenn es Sandra so erwischt hätte. Aber wir kriegen das Schwein dran, das habe ich dir versprochen.«
»Und wie?«
»Ich habe heute früh ein wenig nachgedacht, während du noch tief geschlafen hast. Übrigens schnarchst du wirklich, wenn du auf dem Rücken liegst.«
»Dann schnarcht doch jeder«, sagte ich wegwerfend.
»Aber du liegst nur auf dem Rücken. Zumindest frühmorgens.« Er zwinkerte mir zu. »Wie machen wir also weiter?«
Die Frage schien rhetorischer Natur. »Ohne Frühstück geht bei mir gar nichts«, wehrte ich ab. »Sonst kommen meine kleinen grauen Zellen nicht richtig in die Gänge.«
»Gibt es hier kein Café, in dem wir frühstücken können?«
»Mit ungeputzten Zähnen mag ich aber nichts essen.«
»Zähne putzt man nach dem Frühstück, nicht vorher.«
»Klugscheißer. Ich mag es aber nun mal nicht danach. Ich frühstücke lieber mit frischem Atem. So habe ich es immer schon gemacht«, sagte ich störrisch. »Das wirst du mir nach achtundvierzig Jahren auch nicht mehr abgewöhnen können.«
Er verstand den Wink. »Gut, dann gehe ich eben einkaufen. Irgendwo in der Nähe wird es ja wohl einen Laden geben. Er spähte aus dem Fenster. »Obwohl – sieht ziemlich vorsintflutlich aus hier. So … äh …«
»Idyllisch«, half ich nach.
»Es sieht so aus, als wäre die Zeit stehen geblieben. Wo sind wir eigentlich? Die Fahrt vom Polizeipräsidium hat doch gar nicht lange gedauert. Gehört das noch zu Essen?«
Er hatte recht. Das Viertel bestand größtenteils aus maximal zweigeschossigen Mehrfamilienhäusern mit viel Gartenfläche, alle im gleichen Stil gehalten, aber dennoch architektonisch durch Erker, Giebel und Fensteraufteilungen unterschiedlich gestaltet. Dadurch wirkte die Siedlung sehr abwechslungsreich und dennoch einheitlich vom Gesamtbild her.
»Das ist die Margarethenhöhe, die erste sogenannte deutsche Gartenstadt, gestiftet von Margarethe Krupp zu Beginn des 19. Jahrhunderts.«
»Und ich dachte, hier wäre im Zweiten Weltkrieg so viel zerstört worden«, wunderte sich Volker.
»Wurde es ja auch, und auch die Margarethenhöhe war schwer davon betroffen. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Stadtteilen
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