Innenhafen
Dein Auto wurde in die Luft gejagt, und beinahe hätte es deinen Max erwischt. Das galt dir. Sie hat völlig recht mit ihrer Sorge.«
»Max …« Ich schluckte schwer. »Wie geht es ihm?«
»Besser. Die Schwellung im Gehirn ist schon etwas zurückgegangen, sagen die Ärzte. Sie wollen ihn aber noch zwei, drei Tage schlummern lassen.«
Volkers Stimme war betont sachlich. So, als wollte er um jeden Preis einen weiteren tränenreichen Ausbruch von mir vermeiden. Konnte ich ihm nicht mal verdenken, wo ich doch selbst nicht gut mit Tränen klarkam.
»Bea hat eben angerufen und mir das gesagt«, erzählte er weiter. »Vermutlich bist du deshalb wach geworden. Ein Polizeiarzt hat dir was gespritzt. Du warst ziemlich durch den Wind.«
»Ach, deshalb fühle ich mich so seltsam.« Ich versuchte aufzustehen. Aber es drehte sich alles um mich herum. Also ließ ich mich wieder aufs Sofa fallen. »Was war denn das für ein Sauzeug?«
»Etwas zur Beruhigung. Und zum Schlafen. Ich habe dir fünf Stunden zugesehen, wie du friedlich vor dich hin geschnarcht hast.«
»Gar nicht!«, sagte ich trotzig.
»Oh doch.« Volker lachte.
»Und was machen wir jetzt?« Meine Stimme klang immer noch seltsam fremd in meinen Ohren.
»Hast du Hunger? Ich zumindest könnte jetzt gut was zu essen vertragen.«
Ich horchte in mich hinein. Ein tiefes Grollen signalisierte, dass sich mein Magen mit dem Gedanken durchaus anfreunden konnte. »Bärenhunger«, gab ich zu.
»Dann mach ich mich mal an die Arbeit. Ich wollte eigentlich was einkaufen gehen, aber ich wusste nicht, wie lange du noch schläfst. Und ich wollte nicht, dass du allein bist, wenn du aufwachst.«
Ich nickte. Mir war immer noch etwas schwindelig. Aber mein Magen, einmal auf das Thema angesetzt, verlangte jetzt lautstark nach Nahrung.
Volker plapperte weiter, während er sich aus dem Sessel hievte und in Richtung Küche verschwand. »Für eine Frau ist Beas Kühlschrank nicht gerade üppig ausgestattet. Aber ich habe eine Fertigpizza im Tiefkühlfach entdeckt und etwas, was sich Schlemmerfilet oder so nennt.«
»Fisch. Von Iglo, glaube ich.«
»Wie auch immer. Ich kümmere mich. Bleib hübsch sitzen.«
»Vergiss den Wein nicht«, rief ich ihm hinterher.
»Nicht nach den Medikamenten«, tönte es aus der Küche. Hörte ich da etwa einen leisen Ton von Besorgnis heraus?
Ich stemmte mich vom Sofa hoch und folgte ihm langsam, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend. In der Küchentür blieb ich stehen, lehnte mich an den Türrahmen und sah ihm beim Werkeln zu.
Plötzlich hatte ich Bilder von Max vor Augen. Bilder, wie ich mit ihm zusammen Bratkartoffeln gebraten hatte, damals, in meiner kleinen Küche hoch über dem Isenbergplatz. Mir schossen die Tränen in die Augen, und ich flüchtete ins Bad.
»Essen ist fertig«, hörte ich Volker irgendwann rufen. Ich schnäuzte die Nase, klatschte mir viel kaltes Wasser ins Gesicht und zog die Spülung. Schluss jetzt! Der Tag war tränenreich genug gewesen.
Natürlich sah er, dass ich schon wieder geheult hatte. Das sagte mir der besorgte Blick, den er mir zuwarf.
»Ich will auch Wein.« Auffordernd deutete ich auf das Glas, das Volker in seinen Händen hielt.
»Aber die Med–«
»Papperlapapp«, schnitt ich ihm das Wort ab und zog die Nase hoch. »Max ist heute Mittag beinahe zu Tode gekommen, ich habe kein Auto mehr und mir trachtet eindeutig jemand nach dem Leben. Ich sitze hier in einer fremden Wohnung, vernachlässige meine Katzen und habe nicht mal eine Zahnbürste dabei. Ich will Wein. Jetzt.« Energisch sah ich ihn an.
»Das ist die Toni, die ich kenne.« Volker entnahm dem Hängeschrank ein langstieliges Glas, füllte es mit Wein und reichte es mir. »Prost.« Er hob sein Glas, in dem es rubinrot leuchtete. »Wir werden das Schwein drankriegen. Das verspreche ich dir. Aber nicht mehr heute. Bis morgen brauche ich eine Auszeit von dem Thema.«
»Einverstanden.« Ich prostete zurück. Heißhungrig fielen wir über das Essen her.
»Ich werde jetzt fahren«, sagte Volker, als wir fertig waren.
»Wieso darfst du nach Hause und ich nicht?«, fragte ich empört.
»Weil ich bei meiner Schwester wohne. Und die trägt noch den Namen ihres Ex. Ich konnte deine gestrenge Kommissarin davon überzeugen, dass das ungefährlich ist.«
»Kannst du nicht noch ein bisschen bleiben? Wir können doch fernsehen.«
»Himmel, ich bin wirklich hundemüde.« Er gähnte. »Wenn ich jetzt nicht bald fahre, komme ich nicht mehr in die
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