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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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Kruzsca öffnete nicht, als wir schellten.
    »Weit kann sie eigentlich nicht sein.« Ich wies auf den grasgrünen Polo, der vor dem Gebäude parkte.
    »Vielleicht will sie nicht aufmachen.«
    »Das glaube ich nicht. Bei dem Zwielicht heute müsste doch Licht in der Wohnung brennen«, wandte ich ein. »Es ist irgendwie gar nicht richtig hell geworden.«
    Eine halbe Stunde lang saßen wir unschlüssig im Auto, lauschten dem leisen Trommeln des kräftigen Märzregens, der sich bereits seit Stunden hartnäckig hielt, und beobachteten die Eingangstür. Aber es tat sich nichts. Keine Irina, die, mit Einkaufstüten beladen, nach Hause zurückkehrte, keine Irina in Joggingklamotten und entsprechenden Sportschuhen.
    »Schade. Aber wir müssen los. Lass es uns auf dem Rückweg noch mal versuchen«, schlug Volker vor.
    * * *
    Es dämmerte bereits, als wir den Duisburger Innenhafen erreichten. Wir parkten auf der großen Freifläche unterhalb der A 59 und gingen die paar Meter zum eigentlichen Hafenbecken zu Fuß. Ich ließ Volker erst einmal allein zum vereinbarten Treffpunkt gehen, denn ich vermutete, dass Behrends augenblicklich dichtmachen würde, wenn er mich sah. Wir vereinbarten, dass ich eine halbe Stunde später ins Gespräch platzen sollte.
    Ich wanderte zum Portsmouth Damm, der das ehemalige Holzhafenbecken staute, und lehnte mich gegen das Geländer. Eine Weile blickte ich über das Wasser und betrachtete die Kulisse.
    Es hatte endlich aufgehört zu regnen. Auf dem nassen Pflaster spiegelten sich unzählige Lichter. Hell und gleißend die der Glaspaläste rings um mich herum, die so verheißungsvolle Namen trugen wie »Looper« oder »Hitachi Power Office«, bunt und schummrig die der vielen Bars und Restaurants an der Promenade. Nur der gläserne Drache mit dem LogPort-Tower am Ende des Hafenbeckens war unbeleuchtet.
    Ich drehte mich in die andere Richtung. Die riesige Brachfläche am umstrittenen Eurogate lag in gnädiges Dunkel gehüllt. Aber das »Five Boat« zu meiner Rechten leuchtete mit dem Marinehafen um die Wette. Blickte man auf das linke Ufer, zeichnete sich hinter den alten Kornspeichern in warmem, gelblichem Licht eine Kirche ab. Und über dieser Kulisse, schräg hinter der Kirche, leuchtete neongrün der Turm der Stadtwerke Duisburg. So, in dieser Stimmung, fand ich es richtig schön. Urban. Modern. Und trotzdem dachte ich mit einer leisen Wehmut an den Schimanski-Schmuddellook zurück, der mich als Kind so in seinen Bann gezogen hatte.
    Eine halbe Stunde später betrat ich die Bar. Ich ging an den Tresen, bestellte ein Glas Pinot Gris und sah mich suchend um. Volker entdeckte ich an einem der Tische vor den großen Fenstertüren, halb verdeckt von Behrends, der mir den Rücken zuwandte. Mit dem Glas in der Hand schlenderte ich durch den Raum. Das Überraschungsmoment lag auf meiner Seite.
    »Hallo, Herr Dr. Behrends«, sprach ich ihn an.
    Er drehte sich zu mir um, ein joviales Lächeln im Gesicht. Das rutschte ihm gründlich nach unten, als er mich erkannte.
    Ich grinste boshaft, während ich mich setzte. »Ja, ich bin’s wirklich. Überrascht Sie das etwa?« Spöttisch prostete ich ihm zu. »Auf die Lebenden.«
    Er schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. »Wie … Was soll das?«
    »Ich wollte noch mal auf Ihre Firma zu sprechen kommen.« Meine Stimme trug gut in dem hohen Raum mit den glänzenden marmorierten Böden. »Und auf das Thema stille Teilhaberschaft.«
    »Seien Sie doch ruhig! Was wollen Sie überhaupt von mir?«
    »Wie wär’s mit einem neuen Auto? So als Schadensersatz. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt, finde ich.«
    »Ja. Das Thema stille Teilhaberschaft würde mich auch brennend interessieren«, warf Volker ein. »Sie haben mir doch vorhin erzählt, dass der lettische Architekt Miroslaw Zirkow das Rennen gemacht hat bei dem Entwurf für den Neubau der Ruhrcity-Bank.«
    Na, das war ja mal eine Neuigkeit. Gespannt wartete ich auf Behrends Antwort. Der fixierte Volker wie ein Tennis-Profi, der auf den nächsten Aufschlag seines Gegners wartet. Nur, dass eigentlich er am Ball war. »Daran ist nichts Verwerfliches«, wehrte er schließlich ab.
    »Nein. Bemerkenswert finde ich aber, dass Miroslaw Zirkow nicht nur der Stararchitekt der New Look Facility ist, sondern auch deren Inhaber. Und dass Sie, verehrter Dr. Behrends, stiller Teilhaber eben dieses Architekturbüros sind. Ebenso wie Stadtrat Holger Schönlein.«
    Der Schlag traf Volkers Gegenüber mit voller Wucht.

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