Innere Werte
auch noch verkaufen können«, sagte Martin verächtlich und stand auf. »Sie können jetzt gehen.«
Es war schon später Abend, als die Kollegen im Präsidium eintrudelten.
»Wir haben heute ungefähr sechzig Leute von der Liste geschafft«, erklärte Dieter. »Aber keiner von denen hat eine OP-Narbe. Allerdings haben mehrere erzählt, dass sie Anrufe bekommen hätten, wo jemand eine Umfrage gemacht hat, ob sie gegen Geld bereit wären, sich als Versuchsperson für medizinische Tests zur Verfügung zu stellen. Einer von ihnen war interessiert. Daraufhin hat er weitere Telefongespräche mit einer Frau geführt, die ihm das Angebot der Nierenspende machte. Er hat aber abgelehnt.«
»War die Frau Anja Schulte?«
»Konnte er nicht sagen.«
»Raffiniert«, urteilte Paul. »Erst mal mit ’ner Umfrage vorfühlen.«
»Wenn die Schulte die Geschäfte so angeleiert hat, sollten wir doch die Spender unter ihnen finden«, überlegte Martin laut. »Wobei ich fast glaube, dass uns das nicht viel nutzen wird.«
»Warum?« Michael gähnte laut.
Martin berichtete von Gleisingers Vernehmung.
»Dann haben die Spender immer nur die Schulte zu sehen bekommen«, folgerte Dieter.
»Wahrscheinlich.«
»Wer lässt sich auf so was bloß ein?«
»Leute wie Gleisinger. Der lässt sich von wildfremden Menschen die Niere rausschneiden, nur damit er wieder Kohle zum Spielen hat.« Paul schüttelte den Kopf. »Total irre!«
»Sollen wir die anderen Bankkunden trotzdem noch überprüfen?«, wollte Michael wissen.
»Ja, ich denke schon. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass irgendein illegaler Spender einen der Hintermänner dieser Organmaffia kennt oder gesehen hat.«
»Was ist mit dem Gleisinger? Glaubst du, der weiß mehr als er sagt?«
Martin wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. »Könnte sein. Wenn er die Hintermänner kennt oder findet, wird er sicher versuchen, sie ebenfalls zu erpressen oder seine Dienste anzubieten. Man müsste ihn überwachen, um das festzustellen. Aber das genehmigt Milster uns nie.«
»Kommt Gleisinger als Mörder infrage?«
»Nein. Paul hat gerade im Casino die Aufzeichnungen der Überwachungskameras gesichtet. Gleisinger war am Achtzehnten dort. Sein Alibi ist wasserdicht!«
»Aber was ist mit Bielmann?«
»Da kann er höchstens geholfen haben, ihn zu entsorgen. Aber die Mörder müssen wir wohl in der Ärzteschaft suchen, wenn man Schultes Tagebuch Glauben schenken kann.«
»Könnte es nicht doch sein, dass die Schulte sich selbst umgebracht hat?«, fragte Michael zweifelnd.
»Sein kann alles, aber ich halte das für ausgeschlossen«, sagte Martin überzeugt.
»Ich tippe auf Streitereien innerhalb dieser Organisation«, spekulierte Dieter. »Die wollten sie aus dem Weg räumen, warum auch immer.«
»Gut möglich!«
»Da ist noch was«, sagte Dieter. »Der Saab wurde immer noch nicht gefunden. Aber wir könnten vielleicht rausbekommen, ob die Schulte den Wagen bei irgendeinem Saabhändler in der Gegend gekauft hat.«
»Was würde uns das nutzen?«, fragte Paul.
»Das Model ist ja relativ neu, so dass es sein kann, dass der Wagen über ein eingebautes GPS-Ortungssystem zu finden ist.«
»Gute Idee, Dieter«, lobte Martin. »Darum kümmere ich mich gleich morgen früh.«
63
Udo Gleisinger stand in der Schönen Aussicht und beobachtete die Villa aus einiger Entfernung. Hinter den Fenstern hatte er Susanne Wellner mehrmals vorübergehen sehen. Sie sah hübsch aus, fand er. Aber wahrscheinlich war sie genau wie Anja. Reich und eingebildet! Er blickte die Straße entlang. Hier standen nur solche teuren Hütten. Mit normalem Einkommen waren die wohl nicht zu bezahlen, ging es ihm durch den Kopf. Die mussten doch alle irgendwelche faulen Geschäfte machen.
Plötzlich ging die Haustür auf und eine ältere Frau kam aus dem Haus der Wellners. Im Gehen blickte sie nochmal zum Haus zurück und machte ein besorgtes Gesicht. Während sie sich entfernte, entdeckte sie Udo auf der anderen Straßenseite. Schnell versteckte er sich hinter einem Baum und wartete, bis die Frau verschwunden war.
Es dauerte nicht lange und die Tür ging wieder auf. Ein Mann kam heraus, steuerte auf einen Jaguar zu und fuhr davon. Udo erkannte ihn und grinste. Langsam überquerte er die Straße und ging den Kiesweg entlang. Er warf einen abschätzigen Blick auf den Ferrari, dann lugte er durch die Fenster im Erdgeschoss. Niemand war zu sehen, dafür aber allerlei wertvolle Dinge. Er dachte ans Spielen und ihn
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