Innere Werte
ihrem geliebten Theo vertiefen, was ihm aber ganz und gar nicht recht war«, sagte Paul.
»Hört sich nach Streit an.«
»Und ein bisschen nach Erpressung, oder verstehe ich das falsch?« Dieter griff nach dem Brief und überflog ihn erneut. »Sie droht, ihrem Mann etwas von dem Verhältnis zu sagen. Aber würde das nicht eher ihr selbst, anstatt ihrem Lover schaden?«
»Kommt drauf an. Wenn Wellner ihn kennt, vielleicht auch ihm.«
»Ach, und noch was«, fiel es Michael ein. »Die Fingerabdrücke von Delia Wolff sind nicht identisch mit denen von unserem Mister X.«
»Das hab ich mir gleich gedacht«, sagte Martin. »Diese Frau war so verängstigt, dass ihr ein geplanter Mord nicht zuzutrauen ist. Aber gut. Konzentrieren wir uns auf Susanne Wellners Lover und sehen mal, ob wir die Identität von Theo aufklären können. Für heute machen wir Schluss.«
Martin fuhr in gespannter Erwartung zum »Nassauer Hof«. Während er dem Hotel entgegenlief, begann es zu regnen. Die Wetterfrösche hatten mal wieder recht behalten. Martin schlug den Mantelkragen hoch und beeilte sich, das Gebäude zu erreichen. Ein Page öffnete ihm die gläserne Pforte.
Hinter dem Tresen der Rezeption blickte ihm ein Mann im Anzug freundlich entgegen.
»Einen wunderschönen guten Abend. Was kann ich für Sie tun?«
Martin stellte sich vor und erkundigte sich nach Susanne Wellner. Er zeigte dem Mann ein Foto von ihr. Doch er konnte sich nicht an sie erinnern.
»Die Dame war unserer Vermutung nach am letzten Montag hier. Können Sie bitte nachsehen, ob Susanne Wellner oder jemand mit dem Vornamen Theo reserviert hat?«
Der Concierge blätterte in einem Buch und entdeckte eine Reservierung auf den Namen Wellner. Anschließend durchsuchte er frühere Reservierungen auf den Namen Theo.
»Ja«, sagte er plötzlich und deutete auf den einundzwanzigsten zwölften. »Ein Theo Stadler hat an diesem Tag ein Zimmer reserviert. Und hier nochmal. Neunzehnter zwölfter, Theo Stadler. Sonst kann ich keinen Theo finden.«
»Das hört sich doch gut an.« Martin bat den Concierge, im Internet den Namen Theo Stadler einzugeben. Vielleicht hatte er Glück und der Angestellte des Hotels konnte ein Gesicht zuordnen. Im Zeitalter von Facebook, Twitter und Co. war die Chance, jemanden zu finden, recht hoch. Wenige Sekunden später und nur einige Klicks weiter erschienen etliche Theo Stadler auf dem Bildschirm. Einer davon war in Wiesbaden ansässig. Es war kein Bild zu finden, aber der Beruf war angegeben. Und da wusste Martin, dass er den richtigen Theo gefunden hatte.
72
»Ich hab’s nicht mehr ausgehalten«, sagte Katrin am Telefon. »Ich musste einfach nach Hause fahren, egal was jetzt passiert.«
»Es wird schon alles in Ordnung kommen«, versuchte Tobias, sie zu trösten. »Übermorgen bin ich auch wieder da. Dann sehen wir uns.«
»Ja. Ich freue mich schon.«
Die Nachbarin entdeckte das Licht in der Wohnung um kurz vor zwölf, als sie gerade ins Bett gehen wollte. Sofort griff sie zum Telefon. Der Kommissar hatte sie doch gebeten, anzurufen, sobald sich etwas tat. Wer weiß, was diese Frau Buhr auf dem Kerbholz hatte, wenn die Polizei sie so dringend suchte. So eine wollte sie nicht in ihrer Nähe wissen.
Es dauerte etwa zehn Minuten, bis die Streife vor der Tür stand. Katrin leistete keinen Widerstand und saß für den Rest der Nacht schlaflos in einer Zelle.
Schlaflos lag auch Martin in seinem Bett und grübelte über Michaels Worte nach. Was, wenn die Morde wirklich Beziehungsdelikte waren? Wer kam dann als Täter infrage? Und immer wieder drängte sich Wellner in seine Gedanken. War er der Schlüssel zu dem Ganzen? Martin war sich sicher, dass ein und dieselbe Person für die Morde verantwortlich war, schloss aber nicht aus, dass es Komplizen gegeben hatte.
Er hoffte, dass sich mit dem Auffinden von Theo Stadler einiges klären würde. Nach dem Besuch im Hotel hatte er versucht, den Mann zu Hause anzutreffen. Leider hatte niemand geöffnet. Es musste endlich ein entscheidender Schritt gemacht werden. Die Frage war nur: In welche Richtung? So vieles war inzwischen bekannt und doch noch so vieles unklar. Es war, als fehle das all entscheidende Puzzlestück, um den Rest ganz leicht zusammenzufügen.
73
Eine junge Frau öffnete die Tür. Das Einzige, was sie trug, war ein viel zu großes, blaues Männerhemd. Ihre nackten Beine waren braun gebrannt und ihre langen, blonden Haare fielen in großen Wellen über ihre
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