Innere Werte
informierte Martin Milster umgehend über den neusten Stand der Dinge. Dieser war alles andere als begeistert, hatte er doch gehofft, die Fälle Bielmann und Wellner mit Stadler als Mörder aufgeklärt zu haben. Jetzt gab es völlig neue Ansatzpunkte.
»Drei Wochen, vier Leichen«, schimpfte er. »Und davon sind nur zwei Morde aufgeklärt. Das ist doch eine Scheißbilanz.«
»Wieso zwei? Wir wissen lediglich, wie Bielmann ums Leben kam, wenn man Stadlers Aussage und Schultes Tagebuch Glauben schenkt.«
»Den Fall Schulte will ich endgültig als Selbstmord zu den Akten legen.«
»Aber gerade jetzt, nach diesen neusten Erkenntnissen, doch nicht«, protestierte Martin.
»Schultes Tod fällt meiner Ansicht nach aus der Reihe. Wellner und Stadler wurden vergiftet. Bei der Schulte war das kein Gift im herkömmlichen Sinne.«
»Natürlich war es das«, sagte Martin laut. »Kalium war in der zugeführten Dosis tödlich. Ich denke, dann kann man schon von Gift sprechen.«
»Dosis sola venenum facit«, ließ Dieter sich vernehmen. »Zu Deutsch: Allein die Menge macht das Gift. Dieser Satz stammt von Paracelsus und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Alle Stoffe, die man dem Körper zuführt, können ihn ab einer bestimmten Dosis schädigen. Selbst lebenswichtige Stoffe sind da nicht ausgeschlossen. Nimmt man zum Beispiel zu viel Wasser oder Salz auf, kann das tödlich sein.«
»Sind Sie jetzt unter die Wissenschaftler gegangen, Herr Hinz?«, fragte Milster angesäuert.
Ehe Dieter antworten konnte, sagte Martin: »Man könnte den Kollegen Hinz tatsächlich als Wissenschaftler bezeichnen. Er verfügt über ein enormes Allgemeinwissen, das uns leider in diesem Umfang fehlt.« Er bedachte Milster mit einem ernsten Blick. »Fest steht doch, dass hier jemand den Giftmörder spielt, und ich bin mir nicht sicher, ob er gewillt ist, endlich damit aufzuhören.«
Milster drehte sich zum Fenster und schwieg eine Weile.
»Herr Milster«, setzte Martin erneut an, »wir müssen –«
Milster wandte sich Martin wieder zu und winkte ab, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Also gut. Den Tod der Schulte lassen wir jetzt mal außen vor und Sie kümmern sich um Stadlers Mörder.«
»Wobei ich ziemlich sicher bin, dass sein Mörder auch der Mörder der beiden Frauen ist.«
»Was ist mit dieser Delia Wolff, die die Pralinen geschickt hat?«
»Herr Pichlbauer bringt sie gerade aufs Präsidium.«
»Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie ihr Geständnis haben.«
Aus dem Geständnis wurde nichts. Delia Wolff leugnete beharrlich, Stadler eine Karte, geschweige denn Pralinen, geschickt zu haben. Während sie alle auf das Ergebnis der Daktyloskopie warteten, wo die Pralinenpackung und die Karte auf Fingerabdrücke untersucht wurden, lief Martin nervös im Flur auf und ab.
»Ich werd noch irre.« Er strich sich mit gespreizten Fingern durch die Haare.
»Weil du es nicht abwarten kannst?«, fragte Paul, der an die Wand gelehnt dastand und seinen Chef beobachtete.
»Nein, weil Frau Wolff es sicher nicht war.«
»Wieso bist du so sicher?«
»Überleg doch mal. Sie schickt ihm Pralinen per Post und legt auch noch eine Grußkarte dazu. Das ist doch idiotisch.«
»Vielleicht wollte sie sicher gehen, dass er die Dinger isst. Und das hat er offensichtlich auch, weil er wusste, sie sind von ihr.«
»Die liefert sich doch nicht so leicht ans Messer. Und als Krankenschwester muss ihr auch klar sein, dass die Rechtsmedizin die Vergiftung feststellt.«
Michael streckte den Kopf zu ihnen auf den Flur heraus und winkte sie zu sich.
»Weder auf der Packung noch auf der Karte sind Fingerabdrücke von Delia Wolff«, erklärte er. »Es gibt nur welche von Stadler und zwei weitere. Wobei man davon ausgehen kann, dass welche vom Postboten und von dem Justizvollzugsbeamten drauf sind, der die Pralinen angenommen und weitergegeben hat.«
»Da haben wir’s ja schon!«, rief Martin. »Wenn Frau Wolff es gewesen wäre, hätte sie doch keine Veranlassung gehabt, ihre Fingerabdrücke abzuwischen, wenn sie ihren Namen dann auf die Karte schreibt.«
»Richtig!«, gab Michael zu. »Das heißt dann also, sie ist die Falsche.«
»Wenn da mal nicht der Wellner dahintersteckt«, spekulierte Dieter. »Denkt doch mal nach! Er hat ein Motiv. Stadler ist der Einzige, der ihn als Komplizen beim Nierenhandel beschuldigt hat, der seine Frau gevögelt und aus Wellners Sicht auch umgebracht hat. Das schreit ja förmlich nach Rache. Da schickt er Pralinen im
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