Innere Werte
heute Abend?«, fragte er zum Abschied.
»Wir werden unsere Freundschaft vertiefen«, antwortete Michael und zwinkerte ihm zu.
Einen Moment blickte Martin dem Kollegen und seiner neuen Freundin hinterher. Georgia Galanis war eine gute Wahl, fand er. Und vielleicht würde sich der eingefleischte Single des Teams im neuen Jahr von seinem Lotterleben verabschieden.
77
Das neue Jahr begann frostig. Es hatte noch in der Neujahrsnacht geschneit und seitdem lag Wiesbaden unter einer weißen Decke. Am Mittag des ersten Januars rief Simon Jäger bei Martin an, um ihm ein frohes neues Jahr zu wünschen und nachzufragen, ob seine Zeugenaussage bezüglich des Saab zum Erfolg geführt hatte. Außerdem erinnerte er ihn an den gemeinsamen Besuch im Krankenhaus. Martin staunte nicht schlecht darüber, merkte aber schon bald, dass der eigentliche Grund seines Anrufs ein anderer war. Simon teilte ihm mit, dass er sich überlegt hatte, eine Ausbildung bei der Polizei zu machen. Der Kommissar hatte einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen. Lange telefonierten die beiden miteinander und Martin merkte, wie ernst Simon dieses Vorhaben war. Kurzerhand lud er ihn für das nächste Wochenende zu sich ein, um ihn vielleicht mit einigen Tipps unterstützen zu können. Es war ein gutes Gefühl, die Begeisterung dieses Jungen zu erleben. Martin nahm sich vor, ihm zu helfen, so gut er konnte, und seinen Weg zu verfolgen.
Am Nachmittag überredete Karla ihren Mann zum Rodeln zum Wiesbadener Golfclub am Chausseehaus zu fahren. Die beiden genossen die gemeinsamen Stunden in der herrlich klaren Luft und den Spaß, den sie inmitten der weißen Pracht hatten. Nicht ein einziges Mal dachte Martin in dieser Zeit an seine Fälle. Für den Kommissar schien der Ausflug eine gute Ablenkung zu sein. Doch kaum saßen sie im Restaurant »Chauseehaus« bei einem heißen Glühwein, musste Martin wieder an Anja Schulte denken, die ganz in der Nähe gestorben war. Würden sie ihren Tod tatsächlich aufklären können? Es gab noch zu viele Fragezeichen und zu wenig Spuren. Karla spürte, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war, und forderte ihn auf, darüber zu sprechen. Als sie hörte, dass sich ein Tatort in der Nähe befand, sagte sie zu ihm: »Je länger du beim K11 bist, umso mehr Tatorte wirst du gesehen haben, und letztlich wirst du immer in der Nähe eines Tatortes sein. Versuch doch, an jedem Ort etwas Schönes zu sehen.« Sie küsste ihn.
»Du musst nur überall hin mitkommen, dann sehe ich immer etwas Schönes«, sagte Martin zärtlich.
»Pass auf, sonst nehm ich dich noch beim Wort.«
Sie neckten sich noch eine ganze Weile und Martin wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie Karla es immer wieder schaffte, ihn in die Gegenwart und zu sich zu holen. Sie war wirklich die bemerkenswerteste Frau. Als er so darüber nachdachte, fiel ihm Georgia Galanis ein. Zu ihr hatte er in der Kläranlage auch gesagt, sie sei bemerkenswert. Vielleicht war sie Karla tatsächlich ähnlich und Michael hatte nun seine eigene bemerkenswerteste Frau gefunden.
Als Martin am Montagmorgen ins Büro kam, erwartete Dieter ihn bereits.
»Delia Wolff und Steffen Wellner sind auf Kaution freigekommen«, sagte er und hielt Martin eine Tasse Kaffee hin.
»Na, das war ja zu erwarten.«
»Übrigens solltest du dir das mal ansehen«. Dieter reichte ihm ein Phantombild, das der zuständige Kollege vom Erkennungsdienst angefertigt hatte. »Das ist der Mann, den die Putzfrau der Wellners am Montag auf der Straße vor der Villa gesehen hat.«
Martin besah sich das Bild. »Denkst du, was ich denke?«
»Gleisinger?«
»Genau. Aber was hat er da gemacht? Er hat gesagt, er kennt keine Hintermänner und einen Dr. Wellner auch nicht.«
»Wundert dich das?«
»Nein, obwohl ich zugeben muss, dass ich ihm das geglaubt habe.«
»Auch ein so guter Mimik-Experte wie du kann sich mal irren.«
»Jedenfalls könnt ihr ihm nochmal einen Besuch abstatten.«
Es klopfte an der Tür und Tobias Schulte streckte den Kopf herein.
»Komm rein, Tobias«, forderte ihn Martin auf und ging ihm entgegen. »Ein gutes neues Jahr wünsch ich dir.«
»Das wollte ich Ihnen auch wünschen.«
Martin bedeutet ihm mit der Hand, sich zu setzen, während Dieter sich verabschiedete, um mit einem der Kollegen zu Gleisinger zu fahren.
»Ich wollte hören, ob’s was Neues gibt.«
Martin suchte die Krankenakte auf seinem Schreibtisch heraus und gab sie Tobias zurück. Er erklärte ihm, dass
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