Innere Werte
entdeckte Martin. »Diesmal A-S-T-D. Eine Ahnung, was das bedeutet?«
»Nein, das sagt mir nichts.« Er überlegte einen Moment. »Aber hier am Ziel hat er ein Quadrat gemalt. Wenn ich mich nicht irre, ein Symbol für die Erde, oder im übertragenen Sinne könnte man auch sagen für das Feststehende. Im Gegensatz zum Kreis, der für Leben stünde, steht das Quadrat auch für Tod.«
»Soll das heißen: Das Ziel ist der Tod?«
»Man kann das sicher auf vielerlei Weise verstehen, aber das wäre so die klassische Deutung. Misst du dem Bild tatsächlich irgendeine Bedeutung bei?«
»Es war nur ein spontaner Einfall im Zusammenhang mit Tobias’ Äußerung zu dem Bild.«
»Manchmal malt man ja auch einfach irgendwelche Symbole, ohne dass man über deren Bedeutung nachdenkt.«
»Das glaube ich in dem Fall weniger, denn er sagte, er habe sich mit Symbolen beschäftigt. Er weiß, was er gemalt hat.«
Sie standen noch eine Weile schweigend vor dem Bild, als Martin Dieter plötzlich erschrocken ansah.
»Die Buchstaben: A-S-T-D. Anja, Susanne, Theo, Delia.«
»Ach du Scheiße!«
»Das kann kein Zufall sein.«
»Und sie liegen alle auf dem Weg zum Tod. Aber was ist mit Steffen Wellner? Der würde auf dem Bild fehlen.«
»Vielleicht steht das S für beide. Was weiß ich. Los, komm! Wir müssen uns hier umsehen. Vielleicht finden wir was, das uns einen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort gibt.«
Hektisch machten sie sich daran, Tobias’ Zimmer gründlich zu durchsuchen.
»Mir kommt es so vor, als ob der Junge Steffen Wellner nicht einfach umbringen will«, sagte Dieter nachdenklich und rückte seine Brille zurecht. »Er will ihn leiden lassen. Als Mörder lebenslang hinter Gittern wäre womöglich eine Strafe, die er für angemessen erachten würde.«
»Aber dann hätte er auch Stadler seinem Schicksal überlassen können. Er hat nicht mal abgewartet, ob er verurteilt wird. Also glaube ich nicht, dass ihm eine Gefängnisstrafe reicht.«
»Was könnte er ihm antun wollen?«
»Ich habe keinen Schimmer.«
Nach einer Viertelstunde kamen Paul und Michael zum Kutscherhaus herüber. Sie berichteten, dass sie Frank tatsächlich gefunden und mit ihm gesprochen hatten. Er wohnte in einer WG schräg gegenüber und war seit Jahren mit Tobias befreundet. Interessant war, dass Frank Chemie studierte.
»Wir haben ihn gefragt, ob er Tobias jemals irgendwelche Chemikalien gegeben hat«, berichtete Paul.
»Und ihr glaubt nicht, was er geantwortet hat.« Gebannt blickten sie auf Michael. »Er hat ihm neulich Colchicin gegeben.«
Martin wandte sich ab und griff sich an die Stirn.
»Tobias hat ihm erzählt, dass er eine Freundin hat, die Floristin ist und die mit Colchicin an ihren Pflanzen experimentieren wollte. Frank hat sich nichts dabei gedacht, weil das Zeug tatsächlich in der Pflanzenzucht verwendet wird. Man kann wohl damit die Pflanzen vergrößern. Irgendwas hat er erzählt, dass sich dadurch die DNA-Menge im Zellkern verdoppelt und jede einzelne Zelle dann größer wird.«
»Das ist aber noch nicht alles«, fuhr Paul fort. »Tobias war tatsächlich öfter in diesem Ferienhaus in Bremen. Sein Freund Frank war sogar manchmal mit. Zuletzt im vergangenen Herbst.«
»In Bezug auf Tobias’ Beziehung zu seiner Mutter hat er gesagt, dass sie nicht besonders gut gewesen sei. Sie hätten dauernd gestritten, so dass Tobias sehr oft bei ihm in der WG gewesen war. Tobias hat wohl geplant, nach diesem Semester ins Ausland zu gehen.«
»Es kann doch sein, dass Tobias das Gift tatsächlich der Buhr gegeben hat«, sagte Paul.
»Möglich, dann aber nicht für ihre Pflanzen«, erklärte Martin und wandte sich den Kollegen zu. »Es ist denkbar, dass die beiden gemeinsame Sache machen. Aber Tobias hängt auf jeden Fall mit drin.«
Gerade begründete er seine Annahme, indem er von dem Bild und seiner Bedeutung erzählte, als sein Handy Who wants to live forever spielte. Martin erfuhr, dass das Handy von Delia Wolff zuletzt in der Tempelhoferstraße in Wiesbaden-Erbenheim geortet worden war. Der Aufenthaltsort der Handys von Tobias und Wellner konnte dagegen nicht festgestellt werden. Sofort machten sich alle mit Blaulicht auf den Weg. Mittlerweile dämmerte es schon. Der Regen hatte nicht nachgelassen und die Autos ließen den Schneematsch hochspritzen. Für die gut sieben Kilometer hätten sie normalerweise nicht länger als zehn Minuten gebraucht, doch die Straßen waren durch den Berufsverkehr mal wieder verstopft.
Während der
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