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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hamann
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nach Wiesbaden zu nehmen. Am Brand stieg er in die Linie achtundzwanzig und fuhr bis zum Platz der Deutschen Einheit. Von dort nahm er die Linie vier in Richtung Rheinufer. Je länger er fuhr, desto zuversichtlicher wurde er, dass er schon bald mit Geld in der Tasche wieder auf dem Rückweg sein würde. Sie würde schon zahlen und wenn er sie zwingen musste.
     
    Als Anja Schulte gegen halb drei nach Hause kam, saß Udo Gleisinger bereits in ihrer Küche. Ihr Sohn Tobias stellte gerade eine Tasse Kaffee vor ihn auf den Tisch.
    »Hallo, Mama. Ich hab Udo schon mal reingelassen. Ich geh jetzt rüber zu Frank.«
    Anja nickte nur und Tobias verschwand. Als sie die Tür ins Schloss fallen hörte, wandte sie sich dem Mann zu. Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete sie ihn.
    »Heute ist nicht der erste«, sagte sie statt einer Begrüßung.
    »Aber meine Liebe, das weiß ich doch.« Genüsslich rührte er in seiner Tasse herum, bevor er Anja in die Augen sah. »Aber, wie das Leben so spielt, habe ich einen kleinen Engpass.«
    »Du meinst, wie die Roulette-Kugel so spielt. Diese Art von Engpässen kenne ich«, ihre Stimme wurde laut. »Ich werde dir nichts geben. Wir haben eine Vereinbarung und dabei bleibt es auch.«
    »Keine Panik. Es soll doch nur ein Vorschuss sein.« Seine hellbraunen Augen sahen sie bettelnd an.
    »Deinen Dackelblick kannst du dir sparen. Der zieht nicht. Und jetzt lass dich vor dem nächsten ersten nicht wieder blicken.«
    Selbstgefällig lehnte Udo sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete Anja. Sie gefiel ihm, wenngleich sie seiner Meinung nach viel zu dünn war, schmächtig geradezu. Sie war eine Frau, die in einer anderen Liga spielte und der er nie das Wasser würde reichen können. Vielleicht, wenn er eines Tages mit einem großen Gewinn vor der Tür stand. Darauf standen die Frauen doch. Und Anja besonders, sonst würde sie diese miesen Geschäfte nicht machen.
    »Du wirst mir was geben.« Er lächelte sie an und zog dabei den rechten Mundwinkel hoch, wodurch er so richtig fies wirkte.
    »Werde ich nicht, denn ich habe nichts.« Anja ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen. »Du solltest mit dieser Scheißspielerei aufhören.«
    »Ich kann nicht. Außerdem ist es das Einzige, was mir noch geblieben ist.«
    »Du redest Müll! Nur durch das Zocken hast du alles verloren.«
    »Das soll nicht dein Problem sein«, gab er ärgerlich zurück.
    Udo wusste, dass sie recht hatte. Flüchtig dachte er an seine Familie, die ihn vor drei Jahren verlassen hatte. Er hatte sie belogen und betrogen, um das Ausmaß seiner Verstrickung in das Glücksspiel zu vertuschen. Irgendwann hatten sie es nicht mehr ausgehalten und waren gegangen. Alle Versuche, diese Sucht zu kontrollieren oder aufzugeben, waren kläglich gescheitert. Er wurde ein Genie im Geschichtenerfinden, so dass andere ihm immer wieder Geld gaben, um seine hoffnungslose finanzielle Situation zu überwinden. Aber dadurch verlor er einen Freund nach dem anderen, dann seinen Job und zum Schluss noch das Haus. Er hatte alles verspielt und stand vor dem Nichts. Das Einzige, was ihm geblieben war, war seine Sucht. Das Glücksspiel beherrschte ihn mehr denn je, denn das Spielen lieferte ihm die Genugtuung, die ihm das Leben versagte. Aber sie musste finanziert werden. Und das übernahm Anja sehr zuverlässig schon seit geraumer Zeit, wenn auch gezwungenermaßen.
    »Es ist schon seit langem auch mein Problem, das weißt du genau.« Anja funkelte ihn aus ihren grünen Augen böse an.
    »Komm schon, die paar Mäuse tun dir doch nicht weh.«
    »Wenn ich dir heute was gebe, kommst du am ersten trotzdem, weil du wieder pleite bist. Und deshalb kriegst du heute nichts. Ich mache keine Ausnahmen.«
    »Ich verspreche dir, dass ich am ersten nicht auftauche, wenn du mir jetzt das Geld gibst.«
    »Ich soll dem Versprechen eines Spielers glauben? Machst du Witze?« Anja lachte laut.
    Udo richtete sich auf und blickte sie drohend an. »Du gibst mir das Geld.«
    »Oder was?« Herausfordernd sah Anja ihm in die Augen.
    »Oder ich telefoniere mit der Polizei.«
    »Damit deine Quelle versiegt? Fliege ich auf, ist für dich auch Feierabend. Dann musst du dir andere Beschaffungsmethoden einfallen lassen.«
    »Mir fällt schon was ein. Aber du …, du wanderst in den Knast.«
    »Du bist ein ganz mieser Erpresser!«
    »Man tut, was man kann.« Wieder dieses schiefe Grinsen.
    Anja stand auf, griff sich ihre Handtasche und holte ihr Portemonnaie heraus. Sie öffnete

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