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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hamann
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den Tatort.
    Martin ließ sich von einem Kollegen blaue Schuhüberzieher und einen Schutzanzug geben, um sich das Terrain von allen Seiten ansehen zu können, ohne selbst Spuren zu setzen. Er lief an den Absperrleinen entlang. Das gefrorene Laub knirschte unter seinen Schritten und hinterließ deutliche Vertiefungen. Auf der anderen Seite der Absperrung erkannte er seine Kollegen Pichlbauer und Hinz, die gerade eintrafen und in die Schutzanzüge schlüpften. Martin winkte sie zu sich.
    »Wo bleibt ihr denn so lange?«, begrüßte Martin die Männer.
    »Ich freu mich auch, dich zu sehen«, entgegnete Michael lächelnd.
    »Sorry, aber Michael hat mich abholen müssen. Mein Wagen –«, versuchte Dieter zu erklären, wurde aber von Michael unterbrochen.
    »Ja, seine Zitrone hat mal wieder den Geist aufgegeben«, womit er Dieters Citroen C5 meinte, »und wenn man dann noch in Eppstein wohnt, wo sich Hase und Igel gute Nacht sagen, ist man auf einen hilfsbereiten, netten Kollegen wie mich angewiesen, der einen abholt.«
    »Es heißt nicht Hase und Igel, sondern Fuchs und Hase«, verbesserte Dieter seinen Kollegen und blickte ihn durch seine Nickelbrille triumphierend an.
    »Na, euch scheint’s ja gut zu gehen«, kommentierte Martin die Flachserei. »Leider ist das hier weniger lustig, wie ihr euch denken könnt.« Sofort hatte Martin die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Mitarbeiter und berichtete, was er bis jetzt wusste.
    »Am Wichtigsten ist es, die Frau zu identifizieren. Wenn die Spusi mit dem Gröbsten fertig ist, sehen wir sie uns an. Anschließend fährst du, Michael, ins Präsidium und checkst die Vermisstenanzeigen. Vielleicht haben wir ja Glück. Außerdem besorg mir bitte die Wetteraufzeichnungen der letzten zwei Tage. Bis dahin sehen wir uns hier einfach noch ein bisschen um.«
    Sie waren gerade ein paar Schritte gegangen, als Dieter beide Arme zur Seite streckte, um die anderen am Weitergehen zu hindern.
    »Halt!« Er deutete auf den Waldboden in fünf Meter Entfernung. »Da ist was.«
    Auch Martin und Michael sahen, was Dieter meinte. An verschiedenen Stellen war das Laub streifig weggekratzt und der dunkle Waldboden kam zum Vorschein.
    »Merkwürdig«, meinte Michael. »Für Schleifspuren zu schmal.«
    »Ja, und für Kampfspuren zu exakt abgegrenzt«, sagte Dieter und legte den Kopf schräg.
    Die Männer näherten sich vorsichtig.
    »Das sieht aus wie Buchstaben.« Martin suchte mit den Augen die erste freigekratzte Stelle. »Hier scheint der Erste zu sein.«
    »Tatsächlich«, bestätigte Dieter und deutete auf einen Buchstaben nach dem anderen, während er sie laut vorlas. »B – I – T – C – H.«
    »Bitch?« Michael blickte fragend zu den Kollegen.
    »Das ist die englische Vokabel für Hure«, erklärte Dieter.
    »Ach wirklich?« Michael machte ein überaus erstauntes Gesicht. »Und was macht die Vokabel hier auf dem Boden?«
    Dieter winkte ab, bevor Michael noch eine dumme Bemerkung fallen ließ. Martin stand da und betrachtete nachdenklich den Schriftzug.
    »Wenn das hier mit der Toten zu tun hat und nicht vorher schon zufällig da war, ist eine ganze Menge Hass im Spiel.«
    »Und ist wahrscheinlich ein Beziehungsding«, ergänzte Michael.
    »Also gehen wir auf jeden Fall von Mord aus?«, wollte Dieter wissen.
    »Bevor wir es nicht besser wissen, schon.«
    »Was soll man bei einer weiblichen, nackten Leiche im Wald auch anderes vermuten?«, warf Michael ein.
    Martin rief einen Beamten herbei, um die Absperrung erweitern zu lassen.
    »Ich glaube, die Spusi ist soweit, dass wir die Frau im Evakostüm begutachten können.« Michael deutete auf die Kollegen, die das abgesteckte Terrain zum Teil räumten.
    Kurz darauf besahen sich die drei Männer die Tote. Eingebettet im Laub, lag ihr schmaler Körper wie eine Wachspuppe vor ihnen.
    »Schöner Körper, bisschen dünn vielleicht«, kommentierte Michael, während Martin überlegte, was dieser Frau wohl zugestoßen war. Sie war nicht gefesselt. Ihr Gesicht wirkte entspannt. Sollte sie sich, wie der Beamte es vorhin ausgedrückt hatte, zum Sterben in den Wald gelegt haben? Wäre sie sexuell missbraucht worden, müsste man auf ihrer Haut nicht irgendwelche Spuren des Kampfes sehen? Auch das Laub in unmittelbarer Nähe schien nahezu unberührt. Hier hatte sicher kein Kampf stattgefunden. Vielleicht aber woanders? War sie womöglich nicht hier gestorben?
    Die Frau sah aus wie jemand, der gerne gelacht hatte und glücklich war. Martin musste sich

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