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INRI

INRI

Titel: INRI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ins Gesicht spritzte.
    Da war die Zeitmaschine. Die hatte er erst gestern gesehen. Das war ein Beweis.
    Solcherlei Überlegungen waren jedoch sowieso unsinnig, dachte er, während er sich aufrichtete. Die brachten ihn nirgendwohin. Sie waren Selbstbespiegelung.
    Was war andererseits mit dem Glauben des Johannes, daß er ein großer Magus sei? War es recht, ihn in dem Glauben zu lassen, daß er die Gaben eines Sehers habe? Und war es recht, wenn Johannes ihn dazu benutzte, den nachlassenden Glauben derjenigen zu stärken, die die Revolution erwarteten?
    Es spielte keine Rolle. Er war hier, dies widerfuhr ihm, er konnte nichts daran ändern. Er mußte am Leben bleiben, wenn es irgend ging, um in einem Jahr die Kreuzigung mitzuerleben, wenn sie tatsächlich stattfand.
    Warum hatte es ihm gerade die Kreuzigung so angetan? Warum sollte sie ein Beweis für die Göttlichkeit des Christus sein? Das würde sie natürlich nicht sein, aber sie würde ihn spüren lassen, was wirklich geschah, was die Menschen wirklich damals fühlten.
    War Christus wie Johannes der Täufer? Oder war er ein subtiler Politiker, der hauptsächlich in den Städten arbeitete und sich Freunde im Establishment verschaffte? Und im geheimen arbeitete - denn Johannes hatte noch nichts von ihm gehört, und gerade Johannes mußte etwas von ihm wissen, denn er sollte ja ein Vetter von Jesus sein.
    Vielleicht, dachte Glogauer, befand er sich in der falschen Gesellschaft.
    Er lächelte und wandte sich wieder dem Dorf zu. Er spürte plötzlich eine Spannung. Etwas Dramatisches sollte heute geschehen, etwas, das seine Zukunft bestimmen würde. Aus irgendeinem Grunde wehrte er sich jedoch gegen den Gedanken, den Täufer zu taufen. Es war nicht recht. Er hatte kein Recht, sich als großer Prophet aufzuspielen.
    Er rieb sich den Kopf. Er spürte dort leichte Schmerzen. Er hoffte, sie würden vergehen, bevor er Johannes traf.
    Unsere Geburt ist nur ein Schlaf und ein Vergessen…
    WORDSWORTH
    Die Höhle war warm und angefüllt mit seinen Erinnerungen und Gedanken. Er betrat sie mit einer gewissen Erleichterung.
    Wenig später sollte er sie zum letztenmal verlassen.
    Dann würde es kein Entrinnen mehr geben.
    »Wir alle wählen unsere archetypischen Rollen schon früh in unserem Leben«, sagte er der Gruppe. »Und laßt euch nicht irreführen von dem großen Wort ›Archetypus‹ - denn es gilt ebenso für den Bankangestellten in Sheperton wie für die großen Gestalten der Geschichte - ›archetypisch‹ heißt nicht ›heroisch‹. Das Seelenleben des Bankangestellten ist so reich wie eures oder meins, die Rolle, die er auszufüllen meint, ist genauso wichtig wie die eines jeden anderen. Wenn auch sein bürgerlicher Anzug euch täuschen mag - und auch die, mit denen er zusammen lebt und arbeitet - er ist…«
    »Quatsch, Quatsch«, sagte Sandra Peterson und fuchtelte mit ihren dicken Armen. »Die sind überhaupt keine Archetypen - die sind Stereotypen…«
    »So etwas gibt es nicht«, blieb Glogauer bei seiner Meinung. »Es ist inhuman, über Menschen so zu urteilen…«
    »Ich weiß nicht, wie du sie nennst, aber ich weiß, daß diese Leute die Grauen sind - die Kräfte der Mittelmäßigkeit, die die anderen herabzuziehen versuchen.«
    Glogauer war schockiert, dem Weinen nahe. »Aber, Sandra, ich möchte erklären -«
    »Für mich ist klar, daß du Jung völlig falsch auslegst«, sagte sie fest. »Ich habe alles gelesen, was er geschrieben hat!«
    »Ich glaube, Sandra hat nicht ganz unrecht«, sagte Mrs. Rita Blen. »Schließlich sind wir hier, um gerade über diese Dinge zu diskutieren, oder nicht?«
    Es könnte gelingen.
    Er hatte die Zeit gut gewählt.
    Die Gasöfen waren an, als Monica die Wohnung über dem Buchladen betrat. Der Gasgeruch erfüllte das ganze Zimmer. Er lag neben dem Ofen.
    Sie öffnete ein Fenster und ging dann zu ihm hin.
    »Mein Gott, Karl, was du nicht alles anstellen würdest, um Beachtung zu finden!«
    Er fing an zu lachen.
    »Herrgott! Bin ich so leicht zu durchschauen?«
    »Ich gehe«, sagte sie.
    Sie kam fast zwei Wochen nicht mehr. Er wußte, sie würde wiederkommen. Sie war schließlich nicht mehr die Jüngste, und so attraktiv war sie auch nicht. Sie hatte nur ihn.
    »Ich liebe dich, Monica«, sagte er, als er zu ihr ins Bett kroch.
    Sie hatte ihren Stolz. Sie reagierte nicht.
    Johannes stand jetzt vor der Höhle. Er rief nach Karl.
    »Es ist Zeit, Magus.«
    Widerstrebend verließ er die Höhle. Er sah den Täufer flehend

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