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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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aufgescheuchten Perlhuhnschwarm, der gackernd in niedrigem Flug über den Busch davonstrich. »Hm, hab irgendwie die Orientierung verloren, hab wohl nicht aufgepasst«, brummte sie und öffnete wieder ihr Buch. Die Straße wurde schlechter, tief ausgewaschene Rinnen zwangen Jeremy, sehr langsam zu fahren.
    Geröllübersäte, enge Einschnitte zeugten von der Erosion vieler Jahrhunderte, als die Vorfahren der Zulus vor tausendfünfhundert Jahren begannen, die dichten Wälder abzuholzen und dadurch den Boden seines Schutzes zu berauben.
    Dichtes Buschwerk am Boden der Schluchten speicherte die letzten Reste Feuchtigkeit. Ein Pärchen grünschillernder Nektarinvögel kletterte auf den Kerzenblüten einer Bitteraloe. Gerade wollte Henrietta Jeremy wegen des Zeitverzugs zur Rede stellen, als er plötzlich krachend den zweiten Gang einlegte. Er trat das Gaspedal bis auf den Boden durch, pflügte durch die vor ihnen liegende, schattige Bodenvertiefung, die noch rutschig vor Nässe war, und nahm die nächste Kuppe mit einem Satz, und dann raste der Wagen die abschüssige Sandstraße hinunter, die am Fuß des Hügels in einer scharfen Linkskurve zwischen Gebüsch und niedrigen Bäumen verschwand.
    »Nicht so schnell, Jeremy!«, mahnte Henrietta. Der Motor heulte, der Landrover schlingerte um die Biegung, hüpfte und rumpelte, und sie wurden unsanft hin und her geworfen. Sie sah den kleinen, schwarzen Jungen sofort. Er lag auf der Straße, hatte die Augen geschlossen, die spindeldürren Arme und Beine von sich gestreckt. Eine rote Lache verbreitete sich um seinen Kopf, blieb auf der steinhart gebackenen Erde stehen. Sein Fahrrad lag neben ihm, das Hinterrad drehte sich noch träge. Er regte sich nicht mehr. »Stopp!«, schrie sie,
    »stopp, Jeremy!«
    Jeremy stand schon auf der Bremse. Der Geländewagen rutschte zehn, zwanzig Meter über die Waschbrettoberfläche der Sandpiste 267
    und knallte gegen einen Gesteinsbrocken. Sie wurde zur Seite und mit dem Kopf gegen eine der Verstrebungen geschleudert. Dann stand das Fahrzeug. Der überhitzte Motor tickte, es war das einzige Geräusch in der vollkommenen Stille. Das glänzende rote Rinnsal schlängelte sich aus den krausen, staubbedeckten Haaren des verunglückten kleinen Jungen über Schläfe und Wange in den Mundwinkel. Unvermittelt kicherte der Kleine, seine Zunge erschien, kroch wie ein glitschiges kleines Tier über sein Gesicht, schleckte die Flüssigkeit auf. Er sprang hoch, leckte das Rinnsal vollends ab, so weit seine eifrige Zunge reichte, hüpfte einen kleinen Freudentanz und verschwand im Busch. Eben war er noch da, dann war er weg. Benommen starrte sie auf die Stelle, überzeugt, sich geirrt zu haben. »Was war denn das?«, fragte Susi,
    »eine Erscheinung?« »Ich bin mir nicht sicher ...«, sie hielt jählings inne, als sich kühles Metall an ihre Schläfe drückte. »Kein Wort! Nicht bewegen!«
    Aus den Augenwinkeln erkannte sie, dass es ein Revolver war und die Hand, die ihn hielt, eine schwarze. Sie erstarrte. Susi und Isabella schrien wie mit einer Stimme auf.
    »Klappe halten«, sagte der Mann, dem die Hand gehörte, »sitzen bleiben.« Die beiden drückten sich wie furchtsame Tiere neben sie in ihre Sitze. Jeremy saß wie eine Statue. Der Mann stieß einen leisen Pfiff aus. Drei Pfiffe anworteten ihm, drei Männer erschienen. Ihre Kleidung war den Farben der Landschaft angepasst, so dass sie wie Tarnkleidung wirkte. Er gab einen kurzen Befehl.
    Alle vier hatten Wollmützen als Masken über den Kopf gezogen, in die Löcher für Augen und Mund geschnitten waren. Die Löcher hatten sie weiß umrandet, was ihnen etwas Unheimliches, Fratzenhaftes gab. Henrietta schluckte. Ihr Herz begann vor Angst zu flattern. Mit tiefen Atemzügen versuchte sie, sich zu beruhigen. Sie durfte keine Furcht zeigen, sie musste tun, was die Angreifer verlangten, aber auf keinen Fall durfte sie Furcht zeigen, das wusste sie, denn es waren Zulus. Das hörte sie an den Worten desjenigen, der gesprochen hatte. Feiglinge verachteten sie, Mutigen jedoch zollten sie zumindest Respekt. Was sie allerdings nicht davon abhalten würde, mich umzubringen, dachte sie mit einem Anflug von Galgenhumor.
    »Aussteigen!«, sagte der Maskierte mit dem Revolver und zerrte sie vom Sitz, wobei sie mit der Stirn an der Stelle über dem linken Auge gegen die Autotür schlug, wo sich bereits, wie sie fühlte, eine Beule gebildet hatte. Sie schrie auf, ihre Knie gaben nach, und sie saß plötzlich im roten

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