Ins dunkle Herz Afrikas
Mann und Umbani saßen auf einem ausgeleierten, zerschlissenen Sofa. Der Alte hustete, sein ausgemergelter Körper wurde wie von einer Faust geschüttelt, ein dünner roter Faden kroch ihm aus dem Mundwinkel. Auf einer Matte am Boden lag Marys Sohn, ein paar zusammengerollte Kleidungsstücke lagen unter seinem Kopf. Aus fiebrig glänzenden Augen, die tief in ihre Höhlen gesunken waren, starrte er blicklos vor sich hin. Seine Hände waren wie Vogelkrallen gekrümmt und kratzten ruhelos über den Boden, pressten sich auf seinen Magen. »Hilf ihm!«, befahl Mary und stieß Susi auf die Knie vor ihm. »Ich war mit meinem Sohn bei meiner Sangoma.
Sie hat ein Gewehr und zwei Ziegen verlangt. Dann hat sie Krauter und Baumrinde gekocht
und die Leber von drei Schlangen hinzugefügt. Diesen Sud trinkt er stündlich, und er hat auch, wie sie angeordnet hat, mit Jungfrauen geschlafen. Drei hab ich ihm zugeführt, mehr konnte ich hier nicht auftreiben. Die letzte war zu klein und eng, sie taugte nichts, aber die beiden anderen waren kräftig, mit vollen Brüsten, und trotzdem wird er immer kränker.«
Henrietta zuckte zusammen. Sie sprach, als wären die jungen Frauen eine Handelsware.
Susi schluckte trocken und starrte auf den jungen Mann. »Wie stellt sie sich das vor?«, wisperte sie Henrietta zu. »Ich habe keine Ahnung, was er hat. Ich seh nirgendwo Blut und ...«, sie tippte auf Arme und Beine, »es ist auch noch alles an ihm dran.« Sie wollte aufstehen. Henrietta schubste sie auf die Knie zurück. »Susi, jetzt reiß dich zusammen, benutz deinen Kopf, er hat die Hände auf den Magen ge-presst und stöhnt, also hat er da Schmerzen - ich werde fragen, ob er Durchfall oder Ähnliches hatte, und dann machst du irgendwelche Geräusche, untersuchst ihn, suchst dir irgendein Medikament aus Rons Tasche und trichterst es ihm ein. Kapierst du? Tu irgendetwas, nur mach diese Hexe glücklich, sonst geht es uns nämlich an den Kragen.« Nur zu gut erinnerte sie sich an Marys Worte über die Konsequenzen, falls ihr Sohn sterben sollte.
Susi runzelte die Stirn und piekte dem Kranken mit einem spitzen Finger in den Bauch. Aufstöhnend krümmte er sich zusammen, und Mary machte einen drohenden Schritt auf sie zu. Mit einem erschrockenen Blick legte Susi ihm schnell die Hand auf die Stirn, murmelte Unverständliches in Deutsch. »Hat er nun Durchfall gehabt oder gebrochen?«, zischte sie. Henrietta übersetzte.
»Yebo«, bestätigte Mary, »blutigen Durchfall, und das Erbrochene war schwarz.«
»Scheiße«, sagte Susi, »dem geht's wirklich schlecht. Sieh mal hier, da hat er so ein schwarzes Ding auf der Brust - vielleicht hat er ja die Pest. Ich hab auf Titas Party gehört, dass es vor ein paar Monaten zwei Fälle bei Kapstadt gegeben hat. Sag ihr, ich muss mit Ron reden, 316
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vielleicht kann er etwas mit den Symptomen anfangen.« Sie stand auf. »Ehrlich gesagt, ist mir auch ziemlich übel. Vermutlich vor Hunger. Sag ihr, wenn ich nichts Ordentliches zu essen bekomme, kann ich ihrem Sohn nicht helfen, weil ich dann zu schwach bin. Hier, sieh mal - ich hab bestimmt ein paar Kilo abgenommen, bald pass ich zweimal in meinen Rock!« Hoffnungsvoll wartete sie, bis Henrietta übersetzt hatte.
Maiy lachte nur, ein Geräusch, auf das Henrietta allmählich mit Aggression zu reagieren begann, und verließ die Hütte. »Mach dir nichts draus«, tröstete sie Susi, »es steht dir ausgezeichnet.« In dem Moment kam Lukas in die Hütte, ein Taschentuch auf eine stark blutende Wunde an seinem Oberarm pressend. »Ich brauche ein Pflaster, sonst infiziert sich das hier.« Er nahm das blutgetränkte Tuch herunter. »Ich hab Jeremy dabei überrascht, als er heimlich in ein Funkgerät sprach. Glücklicherweise hat er ein paar Zentimeter daneben geschossen.«
Also doch! Maiy hatte Recht gehabt, Jeremy war ein Polizeispitzel, ein Doppelagent, der das Versteck der Henkerin für die Polizei aufspüren sollte.
Sie hatte ihn in den Haushalt der Robertsons eingeschleust, um Tita entfuhren zu können. Als Zugabe hatte er zweifellos versucht, für seine eigentlichen Herren alles über Neu und dessen Informanten herauszufinden. Henrietta fragte sich, wie er es geschafft hatte, Mary, die vorsichtig und misstrauisch war wie imfene, der Pavian, zu täuschen. Aber sie hoffte inständig, dass er eine Funkverbindung zustande bekommen hatte, bevor ihn Lukas erwischte.
Gleichzeitig war sie sich bewusst, dass sie ausgerechnet von der Organisation Hilfe
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