Ins dunkle Herz Afrikas
ihm jemand Rizinusbohnen ins Essen getan. Eine beliebte Mordmethode bei den Zulus.
Ich werde ihn mir ansehen.«
Henrietta drückte ihn zurück. »Du bleibst erst mal liegen - Rizinus? Ich dachte, das nimmt man als Abführmittel?« »Oh, Rizinus ist ein Teufelszeug.
Wächst hier überall. Die Zulus
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nehmen drei Samen, wenn sie jemanden töten wollen. Sogar die Geheimdienste bedienen sich des Giftes.«
»Verdammt«, murmelte Henrietta und dachte mit Unbehagen an die üppigen Rizinuspflanzen, die im wilden Teil ihres afrikanischen Gartens gewuchert hatten. »Isabella, hör zu!«, befahl sie dann ihrer Nichte und erklärte ihren Plan.. »Mach Lukas schöne Augen, flirte mit ihm, rede mit ihm, egal was, nur sieh zu, dass er dir vertraut -vielleicht können wir ihn auf unsere Seite ziehen.« Sie hatte Deutsch gesprochen.
Isabella starrte sie ungläubig an. »Ich soll was? Hast du 'nen Vogel? Ein primitiver ...«
»Schluck runter, was du sagen willst, hier geht es um unseren Hals, und du bist unsere einzige Chance!«, unterbrach Henrietta sie grob, »außerdem ist Lukas zwar unzweifelhaft schwarz, aber sicher nicht primitiv. Er ist Jurist, Dr. Lukas Ntuli.«
»Jurist? Lukas? - Oh!« Isabellas Augen weiteten sich, ihre Ohren glühten.
»Macht das den Unterschied?« Beißender Spott färbte Henriettas Worte. »Wenn du ihn kratzt, blutet er auch rot.« »Du bist gemein«, flüsterte Isabella mit zitternder Unterlippe. Henrietta hätte sich treten können. Reuevoll zog sie das Mädchen an sich. »Es tut mir furchtbar Leid, Kleines, mir sind die Nerven durchgegangen. Bitte verzeih.«
»Was ist hier los?«, ächzte Ron, »etwas, das ich wissen sollte?« »Isabella, erklär du ihm die Sache mit Lukas, wir müssen zurück zu Maiy ...« Sie griff Susi am Arm und wandte sich zum Gehen. Aber dazu kamen sie nicht mehr.
»Seid mal leise«, befahl Isabella, »ich höre Stimmen!« Henrietta hob den Kopf und lauschte. Tatsächlich! Durch das Prasseln des Regens drangen Stimmen, die näher kamen. »Ein Kind ...«, flüsterte sie, »und eine Frau. Wo die wohl herkommen? Sind wir doch nicht so abgeschnitten?«
Ron versuchte, sich aufzusetzen, fiel aber mit einem unterdrückten Stöhnen zurück. »Verflucht!«, knirschte er und richtete sich dann 321
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doch auf. »Einen halben Kilometer weiter ist ein Umuzi, in dem ein älteres Ehepaar mit seinem Enkel lebt, die Tochter ist angeblich im Ausland, man munkelt, dass sie im Untergrund ist. - Komische Leute - die Frau redet manchmal von ihrer weißen Schwester ...« Henrietta schwang herum. »Weiße Schwester?« Ungläubig starrte sie ihn an. Sarah? »Sarah!«, rief sie dann, »es könnte Sarah sein!« »Sarah? Wer ist das?« Ron stützte sich auf seinen gesunden Arm. »Meine schwarze Schwester.« Sie war schon draußen. Sarah! »Sarah!«, schrie sie in den Regen, »wo bist du?« Sie rutschte im Schlamm aus, strauchelte, rappelte sich auf, rannte den körperlosen Stimmen entgegen.
»Sarah!« Und dann stand sie plötzlich vor ihr. Dunkel, warm, mütterlich.
Afrika. »Sarah!«, rief sie und streckte ihre Arme aus, »oh, Sarah, wie gut es tut, dich zu sehen!« Zähne blitzten, kräftige Hände ergriffen ihre. »Henrietta
- udade-wethu, meine Schwester! Mrs. Robertson hat mir die Nachricht geschickt, dass wir uns im Umuzi meines Vetters südlich vom Fluss treffen werden - was machst du hier bei meiner Schwester Maiy? Hat dich der Regen hierher gespült?« Die dunklen Augen musterten sie. »Du bist immer noch mager wie ein verhungertes Huhn, gibt es nicht genug zu essen in eurem kalten Land?
Pass auf, bald hast du einen Hals wie eine alte Schildkröte.« Sarah lachte herzlich, zeigte dabei ein paar Zahnlücken und zog sie unter das Dach der Vorratshütte, in deren Schutz ein dreibeiniger Topf, in dem ein weißlicher Brei brodelte, auf einem offenen Feuer stand. Ganz hinten, an der Hecke, standen einige Flaschen.
»Dafür trägst du immer noch deine Vorräte in deinem Hinterteil herum«, konterte Henrietta und umschlang sie, ihre Wange an die ihrer schwarzen Schwester gepresst. »Lass die weiße Frau los!«, bellte Mary. »Thula!«, befahl ihr Sarah, »sei leise!«
Mary zerrte den kleinen Jungen, der sich daumenlutschend hinter Sarahs Rücken in den Falten ihres Rockes verbarg, an beiden Ohren hervor. Sie sah ihre Schwester an, drehte die kleinen Ohren und zog hart, dass der Kleine gepeinigt aufschrie. »Lass die weiße Frau los,
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sonst...« Sie brauchte die Drohung
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