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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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erhoffte, die ihr Leben einmal fast zerstört hatte und auch jetzt nur darauf lauerte, dass sie oder lan einen falschen Schritt taten. Ihr wurde die Kehle eng. Die kriegen das fertig und drehen es so, dass ich Kontakt zu Mary und ihrer Schlägeltruppe gesucht habe! Der Gedanke traf sie wie ein Blitz.
    Für Sekunden drohte sie blinde Panik zu überschwemmen, Angstschweiß prickelte ihr auf der Haut. Sie griff nach Rons Koffer, suchte Verbandszeug, konzentrierte sich auf das, was ihre Finger fühlten, 318
    Pflaster, Schere, Medikamentenröhrchen, Spritze. Mit dieser automatischen Beschäftigung löste sich ihre Angst langsam. Als sie die Mullrolle ertastete, konnte sie wieder frei atmen. »Halt still«, befahl sie Lukas. »Was machst du, wenn du nicht Leute entfuhrst und unschuldige Menschen umbringst?«, fragte sie und hätte die Worte gleich darauf am liebsten hinuntergeschluckt. Angespannt wartete sie auf eine gewalttätige Reaktion.
    Seine Augen verschleierten sich für Sekunden. »Doktor der Rechtswissenschaften«, antwortete er dann knapp. »Dr. Lukas Ntuli.« Überrascht ließ sie ihre Hände sinken. Doktor der Rechtswissenschaften! »Und das hier?«
    Ihre Stimme war dünn, die Handbewegung, die alles umfasste, heftig. »Wie steht ein Doktor für Recht und Gesetz zu so etwas?« Sie wickelte die Binde sorgfältig um seinen Arm und befestigte das Ende mit einer Klammer.
    Er presste seine Lippen aufeinander, zog die Brauen zusammen und streifte sie mit einem zweifelnden Blick, so als wägte er ab, ob es Sinn hatte, ihr das zu erklären, ihr, der Weißen aus Europa. »Ich habe in England studiert, aber ich bin ein Zulu«, sagte er endlich, und Leidenschaft machte seine Stimme rau,
    »mein Vater arbeitet an einer Tankstelle und wird >Boy< gerufen, und meine Mutter wird von ihrer Arbeitgeberin als ihr >Girl< bezeichnet. Sie muss ihr eigenes Geschirr benutzen, weil ihre Madam«, er spuckte das Wort aus, »weil die nicht von dem gleichen Geschirr essen will wie ein Kaffir, und nachts schleicht sich der alte Bock, der Vater ihrer Arbeitgeberin, zu ihr und -
    vergewaltigt sie«, das Wort schien ihm physisch wehzutun, »und sie muss es aushaken, weil sie ihren Job nicht verlieren will. Mein Vater ist sechzig, meine Mutter fast fünfzig. Ich kann das nicht mehr ertragen. So einfach ist das. Wenn ich einmal Kinder habe«, seine Augen sprühten, »werden sie aufrecht gehen können und sich vor keinem Menschen beugen müssen, und ich will, dass es meine Eltern noch erleben, dass sie von den Weißen mit >Herr und Frau Ntuli< angeredet werden, und ich will, dass sie frei wählen können, wer ihr Land regiert.« Er schwang herum und verließ die Hütte und ließ Henrietta in Aufruhr zurück.
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    Er hatte gesprochen, wie Neu gesprochen hätte, mit der gleichen Ve-hemenz, der gleichen Leidenschaft. Könnten sie doch nur miteinander reden, wünschte sie sich, sie sind zu weit voneinander entfernt, sie können sich nicht hören. Sie wollen doch beide das Gleiche, ein Leben in Freiheit und Würde, eine Welt, in der jedermann seinen Blick frei zum Horizont heben konnte.
    »Was wollte der den? Klang nicht so, als hätte er wieder von Isabella geschwärmt, im Gegenteil, er wirkte ziemlich wütend.« »Ach, sei leise, Susi«, sagte sie abwesend. Es wollte ihr nicht in den Sinn, dass ein Rechtsgelehrter brutal Menschen abschlachten würde, auch wenn es im Freiheitskampf geschah.
    Schärft Bildung auch das Gewissen? Oder kann man analytischer entscheiden, welches Opfer dem Ziel unterzuordnen ist? Tötet man dann überlegter, ohne Gemütsregung? Könnte er das schwache Glied in Marys Kette sein? Sie erinnerte den Ausdruck seiner Augen, hörte wieder die Leidenschaft in seiner Stimme und war sich sicher, dass er kein kaltblütiger Mörder war.
    »Wir kommen gleich wieder«, rief sie Mary, die eben aus ihrer Schlafhütte kam, impulsiv zu, »wir müssen erst den Doktor fragen!« Sie kümmerte sich nicht um Marys heftige Reaktion, den finsteren Blick, sondern packte Susis Hand und rannte mit ihr durch den strömenden Regen zu der Hütte, in der Isabella und Ron warteten. Schnell beschrieb Susi den Zustand von Marys Sohn. »Was könnte es sein?«
    Ron schnaubte. »TBC, Typhus, Salmonellen, Cholera, Malaria -such dir was aus.
    Vermutlich mehrere Infektionen auf einmal. Die sind hier alle in einer derart heruntergekommenen körperlichen Verfassung, dass sie sich jede Krankheit einfangen. Er könnte auch irgendeine Vergiftung haben. Vielleicht hat

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