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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Gercke
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darüber reden.«
    Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Alles, was sie sagte, war, dass sie
    - wer immer sie sind! - es nicht geschafft haben - und das, alter Junge, ist etwas anderes, als hätte sie mir versichert, dass nichts passiert ist. Etwas ist vorgefallen, und es muss so gewesen sein, dass sie bis heute nicht darüber sprechen kann.« Die beiden Männer starrten einander aus wenigen Zentimetern Entfernung in die Augen. »Das ist so ihre Art, weißt du, sie hat Angst, ein schreckliches Erlebnis in Worte zu kleiden, als ob es dadurch erst wirklich würde.« lan atmete heftig. Henrietta neben ihm spürte seine Wut wie eine heiße Welle. Lukas wich nicht zurück, sein Gesicht war ausdruckslos, nur tief in seinen Augen brannte ein Feuer, das seine Gefühle verriet. Themba klammerte sich an seinen Vater, lutschte aufgeregt schmatzend an seinem Daumen, und Isabella war so blass geworden, dass ihre Sommersprossen wie dunkelbraune Flecken hervorstanden, lan packte Lukas am Oberarm. »Setz Themba ab, wir zwei unterhalten uns jetzt - nein, Henrietta, halt dich da raus!« Er schob den Zulu, der nur wenig kleiner war als er, mühelos vor sich her durch die Diele und aus der Tür hinaus in den durch hohe Hecken gegen die Nachbarn geschützten Vorgarten. Themba sah ihnen mit großen Augen 471
    nach. Isabella hob ihn hoch, wollte den Männern folgen, aber Henrietta hielt sie zurück. »Bleib mit Themba hier!«, rief sie und folgte ihnen voller Angst, dass einer der beiden die Beherrschung verlieren würde. Nur selten hatte sie lan so wütend gesehen. Unbemerkt von den beiden stand sie im schützenden Schatten der Haustür, nur drei oder vier Meter entfernt, und hörte jedes ihrer Worte, keine Geste entging ihr.
    »Sie träumt davon«, zischte lan, »jede Nacht! Ich wage nicht nachzufragen, sondern warte auf den Tag, an dem sie ertragen kann, es mir von selbst zu sagen.« Er hielt Lukas noch immer gepackt, schüttelte ihn. »Ich will von dir jetzt wissen, was meiner Frau damals passiert ist, warum sie immer noch Angstträume hat - denn es ist etwas passiert!« Sein Zeigefinger stach auf Lukas' Brust. »Diese Männer haben ihr etwas angetan, und du bist einer von ihnen gewesen, also hast du besser eine sehr gute Erklärung und überzeugst mich, dass du ihr geholfen hast, dass du einer von den Guten gewesen bist!«
    Lukas sah ihn ruhig an. »Ich bin entsetzt über das, was passiert ist, aber ich wusste im Voraus, das solche Vorkommnisse die unvermeidliche Konsequenz meiner Entscheidung waren, mich dem militärischen Kampf meiner Leute anzuschließen.
    Menschen werden in einem Krieg verletzt und getötet, auch unschuldige. Das ist so. Das weiße Apartheid-Regime hat uns diesen Krieg aufgezwungen, wir haben ihn nicht angefangen.«
    »Ich will keine glatten Juristenformulierungen, ich will wissen, was passiert ist und welche Rolle du gespielt hast! Jetzt red mal Klartext, alter Junge, was war los? Ich will, dass Henrietta endlich Ruhe hat.« lan stand, Beine breit, Oberkörper vorgeneigt, Arme in die Hüften gestemmt. Er wirkte etwa zwei Meter fünfzig groß und breit wie ein Schrank.
    Lukas rieb sich sein Kinn, wippte auf den Zehenspitzen, vermied sorgfältig lans wütenden Blick. »Es ist nichts passiert, ich bin rechtzeitig dazugekommen. Mary hatte die anderen auf die Frauen gehetzt ...« lan wurde schlagartig blass, als er zu begreifen schien, was Lukas da 472
    gesagt hatte. »Um sie zu -vergewaltigen?« Seine Stimme glitt ab. Er hatte offenbar Schwierigkeiten, das Wort auszusprechen. »Ja.«
    »Wenn nichts passiert ist, wenn du sie gerettet hast, warum hat sie immer noch diese grauenvollen Träume? Sie ruft um Hilfe, und dann weint sie - fast jede Nacht! Raus damit, da muss noch etwas gewesen sein.« Er packte den Zulu, der sich abgewandt hatte, wieder am Arm und riss ihn herum. »Spuck es aus!«
    Lukas' schöne, intelligente Augen verdunkelten sich. »Sie rief um Hilfe, und ich habe gezögert. Ich sah nur die weiße Frau, und alles, was ich denken konnte, war, dass nun endlich jemand dafür bezahlt, was meinen Eltern, meiner Mutter angetan wird. Deswegen wohl kann sie es nicht vergessen - weil ich es fast geschehen ließ.« Die Worte drängten sich aus seinem Mund, als hätten sie lang darauf gewartet, gesagt zu werden.
    Schweigen trennte die beiden Männer. Jeder vergrub sich offenbar in seiner eigenen Gedankenwelt. lan hatte den Zulu losgelassen, stand da, Kopf gesenkt, Hände in den Hosentaschen geballt. »Ich

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