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Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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hat sie ja nie gesehen. Du weißt ja, sie brauchten einen Pass, um unsere Städte betreten zu dürfen, und abends mussten sie wieder raus.«
    Henrietta nickte. Sie sah den endlosen Strom schlecht gekleideter schwarzer Menschen vor sich, die abends in restlos überfüllte Züge stiegen und zurück in ihre Township fuhren, ihr Getto. Nur die Hausangestellten, die auf dem Grundstück ihrer Arbeitgeber ein Khaya zur Verfügung hatten, eine Unterkunft, die meist aus einem Zimmer und einer Toilette mit Waschgelegenheit bestand, durften dort mit einer Sondergenehmigung übernachten. Sonst waren die Städte nachts weiß. »Fühlst du dich bedroht? Sind sie aggressiv?«, fragte sie Tita.
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    »Der Topf brodelt, und der Deckel sitzt locker.«
    »Bitte passt auf euch auf, ich könnte nicht ertragen, wenn euch etwas passiert«, sagte Henrietta, »denkt dran, ihr seid erkennbar, ihr seid weiß.« Auch Neu war in Gefahr, seine politische Haltung war ihm schließlich nicht vom Gesicht abzulesen.
    Danach sprachen sie so betont nur noch von den Kindern, dass ihr mit Unbehagen klar wurde, dass Tita befürchtete, ihr Telefon würde abgehört.
    Von uns und von denen hatte Tita geredet, und das, dachte sie, das es, was dieses Land zerstörte.
    Am 11. Februar stellte sie das Telefon ab, setzte sich vor den Fernseher, hielt lans Hand umklammert und sah zu, wie ein hoch gewachsener, eleganter, würdevoller schwarzer Gentleman, Hand in Hand mit seiner strahlenden Frau, die ersten festen Schritte in die Freiheit machte. Er ballte die Faust, streckte sie in den Himmel und lachte dabei ein Lachen, das keiner, der es erlebt hatte, je vergessen würde. Es war ein offenes Lachen, wie das eines jungen Mannes, von schierer Lebensfreude, ohne Triumph, ohne Häme. Noch nie hatte sie einen Menschen so bewundert.
    »Wie er sich wohl fühlt, dass ihm weiße Polizisten den Weg bahnen und ihn beschützen.« Noch gehorchte ihr die Stimme nicht vollständig. »Sieh nur, wie gut er aussieht. Dieses Lächeln. Welch eine Ausstrahlung er hat! Wie macht er das nur, sein halbes Leben im Gefängnis verbracht und so viel Offenheit und Liebe im Gesicht?« Ihr Herz hämmerte. Würde es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie in dem Land leben konnte, das ihre Heimat war?
    Zu lan sagte sie nichts, dachte an den Ton, mit dem er das Wort »Hamburg«
    ausgesprochen hatte, dachte an das, was er Mr. Potgie-ter erzählt hatte, und wusste, dass es da noch immer etwas gab, über das er nicht reden konnte.
    Außerdem war sie noch nicht bereit, sich selbst zu fragen, wie es möglich war, dass sie, eben zurück von ihrer
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    Reise ins dunkle Herz Afrikas, zurück in das Licht der zivilisierten Welt, schon wieder mit der Hoffnung spielte, dass sie doch wieder zurückkehren konnte nach Afrika.
    Aber er musste ihre Gedanken gelesen haben. Sie wusste es, weil er ihre Hand mit der Kraft einer Schraubzwinge hielt und zusammenquetschte, bis die Finger blutleer waren.
    Es ist noch viel zu früh, vertröstete sie sich selbst, jetzt kommt erst einmal der Frühling, und der Sommer, dann irgendwann werde ich darüber nachdenken.
    Am nächsten Tag erhielten sie einen Brief des Institutes, an das sie die FORLISA-Proben gesandt hatten. lan öffnete ihn.
    »Und?«
    Er überflog den Brief, faltete ihn zusammen. »Nichts. Gar nichts -im Gegenteil! Voller guter Sachen und Natursaft.« »Ich werde Tita anrufen und hören, ob sie in ihrer Probe etwas gefunden haben.« Nach einem langen, teuren Gespräch legte sie auf. »Es geht ihnen gut. Sie haben das gleiche Ergebnis erhalten.« Sie kaute nachdenklich auf einem Bleistift herum. »Woran sind die dann gestorben? Aus dem Umuzi lebte zum Schluss nur noch Mary, und nur von dem Großvater wissen wir, dass er an TBC gestorben ist. In den Umuzis der Nachbarschaft scheint Ähnliches passiert zu sein. Woran sind die nur gestorben?«, wiederholte sie ihre Frage. Die Antwort sollte sie erst über ein Jahr später auf höchst unerwartete Art und Weise erhalten.
    Die Terrassentür stand einen Spalt offen, sie hatte abgestorbene Rosenzweige geschnitten, ein paar Nistkästen gereinigt und neu befestigt, und ließ noch ein wenig frische Märzluft herein, während sie in der Diele ihre Schuhe und Jacke auszog. Als sie sich umdrehte, um die Heckenschere in die Schublade in der Küche zu legen, stand er plötzlich im Wohnzimmer. Ihre Reaktion war instinktiv. Die Klingen voran, holte sie zum Wurf aus.
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    »Deine Klingel geht nicht«, sagte Ralf Popp. Sie

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