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Ins Eis: Roman (German Edition)

Ins Eis: Roman (German Edition)

Titel: Ins Eis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Nieberg
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Nacken legen.
    »In Ordnung«, flüsterte sie. Sie bückte sich, nahm sein Gesicht zwischen ihre Handflächen. Ihre Tränen machten ihm Angst, also versuchte sie ein Lächeln, küsste ihn. »Tu, was Tim sagt, mein Schatz.« Ihre Hände in den klobigen Fäustlingen waren zu ungeschickt, sie konnte ihn nicht fühlen. Sie küsste ihn ein weiteres Mal. »Das ist wie Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst, verstehst du? Da darfst du auch nie zeigen, was du eigentlich meinst, und wenn du jetzt zu Ingrid gehst, dann schaust du einfach nur sie an.« Und mit diesen Worten schob sie ihn von sich fort.
    Jonas stolperte vorwärts. Unschlüssig drehte er sich zu seiner Mama um. Kirsten wischte sich über die Augen, was Jonas noch mehr zögern ließ. »Der Bär wird sie ablenken«, murmelte Tim. »Vielleicht haben wir dann eine Chance, ihr das Gewehr abzunehmen.«
    »Lauf zu Ingrid!« Diesmal schrie Kirsten, ihre Stimme viel zu laut und zu schrill. Zweihundert Meter entfernt stockte der Bär, die Vorderbeine angespannt gespreizt. Jonas rannte los, überwand die zwanzig Meter zu Ingrid und hielt neben ihr an. Ingrid achtete nicht weiter auf ihn. Stattdessen machte sie einen Schritt auf Tim und Kirsten zu und schlug mit der flachen Hand gegen den Abzug. »Es wird Zeit zu baden«, sagte sie.
    Tim rief: »Geh weiter, Jonas! Bis ich dir sage, es reicht. Und wedele dabei mit den Armen!«
    Ingrid warf einen flüchtigen Blick auf Jonas, der Schritt für Schritt von ihr zurückwich. Aber sie wandte den Kopf nur ein kleines Stück, es war ihr nicht wichtig, wie weit Kirsten und Tim den Jungen davonschickten, damit er den Tod seiner Mutter nicht sehen musste. Deshalb bemerkte sie auch den Eisbären nicht, dessen Wanderung über den Fjord die Richtung geändert hatte. Der schwankende Schädel und der leicht seitlich gewandte Körper verrieten seine andauernde Unschlüssigkeit, doch er kam langsam näher.
    Jonas folgte Tims Befehl. Er tapste ein paar Schritte auf den Bären zu, stockte kurz, dann lief er weiter. Winkte. Kirsten wirbelte zu Tim herum, ihre Fäuste prallten gegen seine Brust. »Was soll das?«, schrie sie ihn an. »Soll er denn so sterben?«
    Der Eisbär hatte abermals die Schnauze gereckt, seine gesamte Masse richtete sich neu aus, plötzlich ganz zielgerichtete Aufmerksamkeit. Jonas war jetzt etwa zehn Meter hinter Ingrid. Ingrid befahl Tim und Kirsten, ihre Diskussion zu beenden, oder sie würde sie erschießen und ihre Leichen danach im Wasser verschwinden lassen. Tim fing Kirstens Hände, verdrehte sie leicht. Sie hatte nicht gewusst, dass er solche Griffe kannte, es tat weh.
    »Nein, schau nicht hin, lass ihn den Bären neugierig machen. Denk lieber nach! Kannst du sie noch eine halbe Minute ablenken?«
    Jonas lief immer weiter. Er schwenkte beide Arme. Der Eisbär hatte begonnen, direkt auf ihn zuzutrotten. »Bleib stehen, wo du bist, und wink weiter!«, rief Tim, aber er tat dabei so, als würde er Kirsten anschreien.
    »Irgendetwas, Kirsten! Wenn sie den Bären bemerkt, solange er noch so weit weg ist, tötet sie erst uns, bevor sie sich mit ihm befasst. Verstehst du mich?« Er ließ ihre Hände fahren.
    »Geht jetzt ins Wasser!«, befahl Ingrid, zum ersten Mal ungeduldig und irritiert von dem Wortgefecht, das sie nicht verstand.
    Kirsten wäre beinahe gestolpert, als Tim seinen Griff lockerte. Von dort, wo sie stand, bildeten Ingrid, Jonas und der Eisbär eine gerade Linie, wie Kimme, Korn und Ziel. Jonas hüpfte auf und nieder, so heftig winkte er mittlerweile. Das Rascheln seiner Jacke trug in der winterlichen Stille bis zu ihnen. Bevor Ingrid Anstalten machen konnte, sich zu dem Jungen umzudrehen, reagierte Kirsten endlich. Sie griff in ihre Tasche. »Ich glaube, ich habe da noch etwas, das dir gehört«, stieß sie hervor.
    Ingrid lachte, als sie das grüne Notizbuch in Kirstens Händen erkannte. »Wie bist du denn daran gekommen? Nein, warte, es interessiert mich eigentlich nicht. Wenn du dem Gouverneur davon erzählt hättest, wüsste ich es wohl bereits.«
    »Erland hatte es bei sich. Er hatte es sich aus Kristoffers Sachen genommen. Es ist dein Tagebuch gewesen, nicht wahr?«
    »Eher ein Gedankenbuch. Über alles, was mir damals wichtig war. Wer mir wichtig war. Und für Dinge, für die Lösungen gefunden werden mussten. Damals – ich war zu jung –, damals konnte ich es nicht. Jetzt kann ich es.«
    Ingrid hatte ihre Kapuze abgestreift, darunter trug sie eine dünne Mütze und über Hals und Kinn ein oranges Tuch,

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