Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
ließe sich diese Methode auch auf Kollegen wie Hartung anwenden?
»Bevor Sie gehen, Frau Gerstenknecht, dürfen Sie uns noch unsere Frage beantworten«, erinnerte Seeger freundlich. »Sie wollten die Fässer also aufkaufen, weil Sie ein schlechtes Gewissen haben. Wieso?«
Christabel Gerstenknecht lächelte anerkennend, als würde ein alter Hase den anderen als ebenbürtig akzeptieren. »Ich lasse mir von meinen Mitarbeitern unterschreiben, dass sie vierundzwanzig Stunden vor Arbeitsbeginn keinen Alkohol mehr trinken. Ich will nicht, dass sie in die Maschinen oder die Brennöfen geraten. Und beim Malen brauchen sie eine absolut ruhige Hand. Für die Arbeit bei Lüttmanns Lütte Lüd muss man einen klaren Kopf haben«, erklärte sie selbstbewusst.
»Diese Vereinbarung lässt höchstens noch ein paar Bierchen am Samstagabend zu. Wer seinen Arbeitsplatz behalten will, hält sich daran. Das hat den Umsatz des Storchenkrugs mehr als halbiert«, fügte Severin Lüttmann hinzu. »Von der Tränke der gesamten Nachbarschaft zum Trockendock der Region, so etwas kann auch der beste Wirt nicht wegstecken.« Er zuckte zusammen, als ihn der Blick seiner Stiefmutter wie eine Speerspitze traf, und sah verlegen zu Boden.
»Arbeiten denn alle Leute der Umgebung für Sie?«, fragte Christian Hartung erstaunt.
»Es gibt weit und breit keine andere Fabrik als Lüttmanns Lütte Lüd «, sagte Christabel. »Fast jeder im Storchendreieck arbeitet für mich . Als Heimarbeiter oder im Werk.«
Sie weiß , sie ist der Chef im Ring, dachte Seeger, und das merkt man ihr auch an. Aber in welcher Fabrik lassen sich Mitarbeiter auf eine solche Regelung ein? Er zuckte leicht zusammen, als die zierliche, aber unbeugsame Frau erneut seine Gedanken las und beantwortete.
»Wir fertigen Gartenzwerge«, sagte Christabel, »unser Schlager sind Nachbildungen stolzer Gartenbesitzer. Maßstabsgetreu und lebensecht.« Sie warf Hartung einen amüsierten Blick zu. »Gern auch für den Schreibtisch. Unauffälliger als Spiegel.«
Seeger verkniff sich ein Grinsen, als er die Gesichtszüge seines Kollegen entgleisen sah. Dann fragte er die alte Dame: »Wer wusste, dass Sie die Schulden des Storchenkrugs tilgen wollten?«
»Nur Melitta, mein Stiefsohn, der Wirt und ich.«
Christian Hartung hatte sich wieder gefasst und beschloss, polizeiliche Professionalität zu demonstrieren. Er deutete auf den toten Gerichtsvollzieher und resümierte: »Damit ist der Wirt von jedem Verdacht entlastet. Er hatte kein Motiv, den Gerichtsvollzieher zu töten; er wäre am Ende des Tages schuldenfrei gewesen.«
Christabel Gerstenknecht signalisierte ihr Einverständnis zu Hartungs Ausführungen mit einem huldvollen Nicken. Paul-Friedrich Seeger ließ seinen Kollegen weiterreden, behielt dabei aber die drei anwesenden Dorfbewohner aufmerksam im Blick.
»Wir haben es also mit einem höchst bizarren Unglücksfall zu tun«, fuhr Hartung fort. »Der Mann hat sich unter das Fass gelegt, um das Bier zu probieren, das er beschlagnahmen wollte. Leider überschätzte er sein … Fassungsvermögen. Betrunken, wie er war, wollte er wieder hochkommen, stieß mit der Stirn gegen den eisernen Zapfhahn, prallte zurück und fiel mit dem Kopf auf den Steinfußboden. Bewusstlos lag er da, wie ein Käfer auf dem Rücken. Das Bier ist immer weiter in seinen offenen Mund gelaufen, und so ist er schlicht … ertrunken . Das nenne ich mal einen ungewöhnlichen Abgang. So etwas hat die Welt noch nicht gesehen.«
»Unsinn, junger Mann!« Christabel Gerstenknecht sah Christian Hartung an, als wäre er ein Grundschüler und hätte entscheidende Teile des Abc nicht begriffen. »Sie sollten Ihre politische Bildung verfeinern. Wichtig in Ihrem Job. Was hier passiert ist, nennt sich Water…«, Christabel Gerstenknecht hielt einen Moment inne, » Beer boarding – in diesem Falle selbstverschuldet.« Sie machte eine Pause, strich noch einmal ihre Handschuhe glatt und sah dann wie Seeger und Hartung auf den Toten hinunter. »Bei diesem Kerl kein Wunder – er konnte den Hals nie vollkriegen.«
Kapitel 1
U nd? Wie soll dein Baby heißen?« Hetty Wilcox lehnte sich vor und sah ihre Enkelin gespannt an.
»Wenn ich das wüsste! Ich finde einfach nichts Passendes!«
Pippa Bolle blieb auf ihrem ziellosen Rundgang vom Fenster zum Schreibtisch und retour vor einem vollgestopften Bücherregal stehen und starrte auf die Buchrücken, als suchte sie dort nach Erleuchtung.
»Bolle«, murmelte sie und drehte sich zu
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