Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
innen einen Notknopf, der die Tür öffnet.«
Das beruhigt mich nicht wirklich, dachte Pippa und fragte: »Was, wenn sie den Knopf nicht mehr erreicht?«
»Dann will sie nicht gerettet werden, hat sie gesagt.« Die Haushälterin seufzte. »Sie müssen wissen: In diesem Raum ist alles verwahrt, was für den Erhalt der Firma wichtig ist, auch die Entwürfe für die Kollektion der nächsten Saison. Alles streng geheim, verstehen Sie?«
Pippa glaubte, sich verhört zu haben. »Es gibt Kollektionen? Für Gartenzwerge ?«
»Selbstverständlich, was denken Sie denn? Wer konkurrenzfähig bleiben will, muss innovativ sein. Lüttmanns Lütte Lüd beschäftigt einen Gartenzwergdesigner und einen Konstrukteur – ich denke, das ist einzigartig auf der Welt.«
Eine Stahltür, um geheime Entwürfe für Gartenzwerge zu schützen – noch vor zwei Tagen hätte Pippa das für einen Witz gehalten.
»Aber ich würde doch nicht …«, begann Pippa, und Melitta Wiek hob die Hand, um sie zu unterbrechen.
»Das ist kein Misstrauen Ihnen gegenüber, Frau Bolle. Ich war selbst auch nie in diesen Räumlichkeiten, und ich arbeite hier schon seit zwanzig Jahren.« Sie lächelte. »Mit meiner Reise nach Indien belohnt Frau Gerstenknecht meine Treue.«
Melitta Wiek zog ein Blatt aus ihrer Schürzentasche, entfaltete es und reichte es Pippa. »Hier sind alle wichtigen Telefonnummern. Für den Notfall, falls Sie Unterstützung oder Hilfe benötigen.«
Pippa studierte die Liste: zuerst der Notruf und die Nummer von Doktor Wegner, dann Severin Lüttmanns Kontaktmöglichkeiten an seinem Urlaubsort.
»001 …«, sagte Pippa. Diese Vorwahl kannte sie gut von ihrer Freundin Debbie, die nach einem gemeinsamen Abenteuer in England wieder in Seattle lebte. »Herr Lüttmann fliegt in die USA?«
Melitta Wiek nickte. »Nach Alaska.«
»Im März? Ist da nicht tiefster Winter?«
»Er hat ein Faible für Schlittenhunderennen und will sich sowohl eines ansehen als auch lernen, selber einen Schlitten zu lenken. Bei einem der wichtigsten Champions der Zunft: Martin Buser.«
Auf der Liste standen außerdem die Telefonnummern von Hilda Krause und die des Betriebsleiters der Gartenzwergmanufaktur, Maximilian Hollweg. Pippa fragte sich, ob sie Melitta Wieks Nummer übersehen hatte, und fuhr mit dem Finger noch einmal an den Namen entlang.
»Meine fehlt«, sagte die Haushälterin, als könnte sie Pippas Gedanken lesen. »Ich mache in Kerala eine Ayurveda-Kur. Handys sind da nicht erlaubt. Aber wenn es wirklich dringend ist, wenden Sie sich bitte an meinen Sohn Florian. Wir wohnen direkt am Dorfplatz. Hausnummer 4.«
»Ein unglückliches Zusammentreffen, dass Sie beide ausgerechnet so kurz vor Frau Gerstenknechts hundertstem Geburtstag gleichzeitig verreisen, oder?«
Melitta Wiek presste kurz die Lippen zusammen. »Wie jeder andere Arbeitnehmer habe ich Anspruch auf Urlaub. Und Ihnen hat dieses unglückliche Zusammentreffen schließlich einen lukrativen Auftrag beschert, nicht wahr?«
Da bin ich wohl in ein Fettnäpfchen getreten, dachte Pippa, und sie hat recht: Es geht mich nichts an, wann sie ihren wohlverdienten Urlaub nimmt. »Es wird schon nichts sein. Ich werde Ihre Nummer nicht brauchen.«
»Man kann nie wissen.« Melitta Wiek war ganz die korrekte Haushälterin. »Frau Gerstenknecht ist zwar zäh – aber nicht unsterblich.«
Kapitel 8
D er Frühstückstisch war für sechs gedeckt, aber bisher saßen nur Hilda Krause, Christabel Gerstenknecht, Florian Wiek und Pippa am Tisch. Melitta Wiek briet in der Küche Speck und Eier. Von Severin Lüttmann war nichts zu sehen.
Christabel Gerstenknecht runzelte die Stirn und sah auf die Uhr. »Wo bleibt der Junge denn? Ich habe Hunger. Er ist bereits eine Viertelstunde zu spät.«
Sie zog sich mühsam am Tisch von ihrem Stuhl hoch, griff sich den Gehstock mit vier Füßen, der hinter ihr stand, und ging mit kurzen, langsamen Schritten zur Terrassentür.
Da Pippa registrierte, dass weder Hilda Krause noch Florian Wiek aufsprangen, um der alten Dame zu helfen, blieb auch sie sitzen.
Sie will so viel wie möglich allein schaffen, dachte Pippa, bestimmt gibt es ein Donnerwetter, wenn man sie zu sehr umsorgt.
Die alte Dame öffnete beide Flügel der Terrassentür und beschirmte die Augen mit einer weiß behandschuhten Hand, um in die Landschaft hinauszusehen.
Immer diese Handschuhe, dachte Pippa, ob sie die auch nachts trägt? Aber warum? Eine Hautkrankheit oder eine Kontaktallergie? Gicht?
»Tuktu!
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