Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
Tuwawi! Unayok! Wo seid ihr? Hierher!«, rief Christabel Gerstenknecht mit unerwartet kräftiger Stimme. Sie horchte einen Moment nach draußen, dann nahm sie eine Hundepfeife vom Tischchen neben der Tür und blies hinein.
Obwohl für menschliche Ohren kein Laut zu hören war, ertönte postwendend Gebell von der Mühle her.
Christabel Gerstenknecht legte den Kopf schief und lauschte. Dann kehrte sie zum Frühstückstisch zurück und sagte: »Die Hunde sind in einer Minute hier. Severin in fünf. Wir können anfangen.«
Melitta Wiek trug eine Platte mit Rührei herein und setzte sich zu den anderen.
»Gott sei Dank, endlich«, sagte Florian und verteilte Speck und Eier auf die hingehaltenen Teller. »Mein Magen knurrt wie Unayok, wenn er einen Angriff auf dich wittert, Christabel.«
Im Gegensatz zu den meisten anderen, inklusive seiner Mutter, bemerkte Pippa, genoss Florian also das Privileg, die alte Dame zu duzen, denn diese lächelte ihn wohlwollend an und fragte: »Hat Severin dir alles erklärt?«
Florian nickte. »Ich habe die Hunde bereits gestern Abend und heute Morgen gefüttert. Zur Zufriedenheit aller.«
Pippa kicherte innerlich. Seine Formulierung klang, als wären auch die Hunde zu seiner Eignung als Ersatz-Futtergeber befragt worden und hätten ihre Zustimmung verweigern können.
Melitta Wiek ging mit einer großen Teekanne um den Tisch herum und schenkte allen ein. Als sie bei Pippa stand, klingelte es an der Haustür.
»Ich gehe«, sagte Pippa und stand auf, aber die Haushälterin ließ es sich nicht nehmen, sie zur Tür zu begleiten.
»Guten Morgen, die Damen!« Sebastian Brusche strahlte über das ganze Gesicht.
Melitta Wiek verzog keine Miene. »Nicht jetzt, Herr Brusche«, sagte sie ruhig, aber bestimmt, »wir sitzen gerade beim Frühstück. Und wir haben heute Morgen noch viel vor.«
»Ich weiß, das ist der Grund für mein frühes Erscheinen, Frau Wiek.« Der Reporter hielt eine Kamera hoch. »Ich wollte Sie unbedingt erwischen, bevor Sie für Wochen in alle Winde verstreut sind.«
Melitta Wiek seufzte ungehalten. »Hat das nicht Zeit, bis wir wieder zurück sind? Herr Lüttmann und ich sind nur zwölf Tage weg, und Frau Gerstenknechts hundertster Geburtstag ist erst in etwas mehr als drei Wochen.«
Brusche machte einen Schritt nach vorn, aber Pippa und Melitta wichen nicht von der Stelle.
»Ich dachte, ich mache eine Serie. Pro Woche ein Bericht über die große alte Lady des Storchendreiecks. Jedes Mal unter einem anderen Aspekt, Sie verstehen? Das mögen die Leute. Wie wird man hundert Jahre alt? Wie hält man sich geistig und körperlich fit? Und Sie, Melitta, sind ein so wichtiger Teil von Frau Gerstenknechts Leben …«
Die Haushälterin erwies sich gegen seine Schmeichelei als unempfindlich und machte Anstalten, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, aber Brusche trat beherzt auf die Schwelle und rief: »Aber sie hat mir ein Interview versprochen!«
Melitta Wiek schüttelte den Kopf. »Wenn ich zitieren darf: Vielleicht gewähre ich Ihnen ein Interview , hat sie gesagt. Vielleicht , Herr Brusche.«
Der Reporter verlegte sich aufs Flehen. »Melitta, ich bitte Sie, haben Sie ein Herz!«
Pippa reichte es. »Hat sie – aber es schlägt nicht für Sie.« Sie fing einen beinahe erschrockenen Blick der Haushälterin auf und fuhr fort: »Vor ihrer Abreise hat Frau Wiek noch etliches zu erledigen. Und Sie sollten eigentlich tun, was jeder gute Journalist in Ihrer Situation längst täte. Ich verstehe nicht, warum Sie Ihre Zeit hier verplempern.«
Verständnislos ließ Brusche seinen Blick zwischen Pippa und der sich entspannenden Melitta Wiek hin- und herwandern.
»Ihre Leser warten auf einen Hintergrundbericht über den Tod von Waltraut Heslich!« Mit der Hand zeichnete Pippa eine schwungvolle Linie in die Luft. »Ich kann die Schlagzeile schon vor mir sehen: Tod durch Feuerwalze! «
Der Reporter stutzte, dann hellte sich sein Gesicht auf. »Mädchen, Sie sind gut – die nehme ich!« Er drehte sich auf dem Absatz um und ging ohne ein Wort des Abschieds davon.
Melitta Wiek schloss die Tür und wandte sich Pippa zu. »Gut gemacht, Mädchen . Bei Ihnen weiß ich Frau Gerstenknecht in guten Händen.«
»Vielen Dank. Immer gern.«
Sie ist korrekt, aber großmütig, dachte Pippa und war erleichtert, dass die Haushälterin ihr die neugierigen Fragen nach ihrer Urlaubsplanung nicht krummnahm.
Severin Lüttmann saß ihr gegenüber, und Pippa musste zweimal hinsehen, um in ihm
Weitere Kostenlose Bücher