Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
geschnitten haben.«
Während des Gesprächs hatten die Hunde ruhig neben Pippa gesessen. Jetzt erhob sich Unayok, näherte sich dem Kommissar und beschnüffelte ihn ausgiebig. Dann lehnte er sich an Seegers Bein und schaute ihn aus eisblauen Augen auffordernd an.
Lächelnd beugte Seeger sich zu dem Hund hinunter und kraulte ihn. »Na, erkennst du mich wieder? Guter Junge! So einen wie dich könnte ich mir für meinen Ruhestand gut vorstellen. Dann wären wir zu zweit und könnten aufeinander aufpassen.«
Pippa konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Ja, das stimmt, er kann wunderbar unwillkommene Leute auf Abstand halten.«
Der Kommissar zwinkerte verschwörerisch. »Ich sehe, wir verstehen uns bestens.«
Je weiter Pippa und Herr X kamen, desto bevölkerter wurde es um sie herum. Das Naturschutzgebiet wimmelte von Menschen, und es herrschte ein Höllenlärm. Die Kinder bejubelten jeden Fund mit ohrenbetäubendem Kreischen, und die meisten von ihnen hatten mittlerweile mehr Schokolade im Gesicht als in ihren Körben. Den Kleinsten halfen die Eltern, indem sie sie sanft zu den Verstecken dirigierten. Kein Grashalm, kein Busch, kein Büschel Schneeglöckchen blieben von den Suchenden verschont. Eines war klar: Die Biberbergs würden an dieses Osterfest noch lange denken.
»Hier ist es mir zu voll«, sagte Pippa. »Gibt es nicht einen anderen Weg zurück nach Storchwinkel?«
Da Herr X Menschenansammlungen verabscheute, musste er nicht überredet werden. Sie wollten gerade auf einen Wiesenweg abbiegen, als Timo Albrecht Pippas Namen rief und zu ihnen herüberkam.
»Gut, dass ich Sie treffe, Frau Bolle«, sagte er und senkte dann konspirativ die Stimme. »Ich hörte, Sie fungieren als geheimer Briefkasten.«
»Allerdings nur für Topagenten mit Topinformationen«, erwiderte Pippa im gleichen Tonfall. »Ich will gar nicht wissen, warum Sie mit Ihren Informationen nicht zur Polizei gehen, sondern frage gleich nach dem Preis.«
»Ich wünsche mir einen freien Tag, mitten in der Woche. Ich möchte einmal mit Mandy und Lucie auf dem Arendsee herumschippern, ohne dass wir von der gesamten Bevölkerung des Storchendreiecks beobachtet werden.«
Pippa lachte. »Das lässt sich machen. Falls die Informationen einen freien Tag wert sind.«
»Super!«, rief der junge Mann erfreut. Dann aber zögerte er und sah Herrn X auffordernd an. Der zuckte mit den Schultern und ging mit seinem Rad ein Stück beiseite. Als Timo Albrecht sicher war, dass nur noch Pippa ihn hören konnte, sagte er leise: »Frau Heslich wollte ihr Testament ändern.«
»Woher wissen Sie das?«, fragte Pippa erstaunt.
»Sie hat bei mir mehrere Bücher zu diesem Thema ausgeliehen. Gleich, nachdem Herr Bornwasser … ertrunken ist.«
»Vielleicht wollte sie nur ihr Testament schreiben, weil ihr durch seinen Tod bewusst wurde, dass man seine Angelegenheiten regeln sollte, bevor es zu spät ist.«
Timo Albrecht schüttelte den Kopf. »Ganz sicher nicht. Sie brauchte die Bücher, um sich zu vergewissern, dass ihre geplanten Änderungen rechtlichen Bestand haben würden. Und sie wollte, dass ich das geänderte Testament unterschreibe. Als Zeuge, dass sie im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist.«
»Sie haben zugesagt?«
»Klar! Ich war neugierig!«
»Und warum ging sie damit nicht zu einem Notar?«
»Das habe ich sie auch gefragt! Sie sagte, sie habe nicht die Zeit, dafür eigens nach Wolfsburg oder Salzwedel zu fahren. An dem Tag, als Bornwasser beerdigt wurde, sollte ich unterschreiben. Deshalb war ich auch mit dem Bus in Storchwinkel. Kunden für die Bibliothek mussten wir nicht befürchten, ich war ja außerplanmäßig dort.«
Eine Rentnerin hat nicht genug Zeit, mal schnell zwanzig Kilometer zu fahren?, grübelte Pippa. Für ein so wichtiges Vorhaben? Trotz eigenem Auto? Da in ihrer Schublade ein Autoschlüssel lag, muss sie motorisiert gewesen sein. Und warum soll ausgerechnet ein Wildfremder ihr Testament bezeugen, soweit dieser Begriff auf die Menschen im Storchendreieck überhaupt anwendbar ist, bei all den verschlungenen Verbindungen? Braucht man überhaupt einen Zeugen für ein rechtskräftiges Testament? Ich denke nicht. Wieso wollte sie also einen Zeugen? Klingt, als fühlte sie sich nach Bornwassers Tod bedroht.
Timo Albrecht sah sie abwartend an, schien aber nicht bereit, freiwillig weitere Informationen preiszugeben. Pippa seufzte. »Okay, Sie haben Ihren freien Tag. Ich bin sicher, Frau Gerstenknecht ist einverstanden.«
Sein
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