Ins Leben zurückgerufen
seinem Team am Tatort. Dekker war ein kantiger Mann, der als Teenager für Yorkshire Seconds gespielt hatte, bis er sechsmal hintereinander keinen einzigen Punkt gemacht hatte, was eine Änderung seiner beruflichen Laufbahn und seines Namens zur Folge gehabt hatte. Er ignorierte Pascoe, bis er sein Team in Gang gebracht hatte, dann lud er ihn mit einer ruckhaften Kopfbewegung ein, mit ihm ans andere Ende des Korridors zu schlendern.
»Bringt dich das in Schwulitäten mit deiner besseren Hälfte, Pete?«
»Nun halt aber mal die Klappe!« sagte Pascoe empört. »Du hast doch Miss Marsh gesehen. Sie war über sechzig!«
»Ja, nun, das würde es
verdammt
peinlich machen, was? Also laß hören.«
Pascoe klärte ihn kurz auf und sagte abschließend: »So schief hast du gar nicht gelegen, Duck. Peinlich ist die Sache, nur nicht aus den Gründen, die du vermutet hast.«
»Das kann ich sehen, mein Junge. Du sitzt ganz schön in der Scheiße. Das Beste, was man hoffen kann, ist, daß du ein Sixpencestück findest.«
Eine halbe Stunde später sah es so aus, als sei das eine vergebliche Hoffnung.
»Sorry«, sagte Dekker. »Der mysteriöse Besucher war wahrscheinlich The Man from the Pru. [6] Sie verabschiedete ihn, backte ein paar Teekuchen, machte sich ein Tässchen Tee, setzte sich hin und kratzte ab. Unser Quacksalber hat die Nummer von ihrem Arzt herausgefunden und hat ihn angerufen. Anscheinend litt sie an Herzbeschwerden. Es sieht ganz danach aus, als hättest du das Schlimmste gemacht, was man tun kann. Im falschen Moment auftauchen.«
»So eine Scheiße«, sagte Pascoe.
»Ich kann dich leider nicht außen vor lassen. Ich brauche deine Aussage. Du bist Zeuge.«
»Okay. Aber ich sorge wohl besser dafür, daß Dan Trimble aus meinem Mund davon erfährt.«
»Einen kleinen Rat«, sagte Dekker. »Der Schiedsrichter hat mehr Sympathie für dich, wenn der Werfer dir einen Scheitel gezogen hat.«
»Hiller wirft nicht mit Bällen. Er wirft mit faulen Eiern. Ob er dich trifft oder nicht, du hast die Schweinerei.«
Aber er nahm sich den Rat zu Herzen und telefonierte zuerst mit Mr. Hiller von Mrs. Wrights Wohnung aus.
Der reagierte zuerst mit kühler Professionalität.
»Irgendein Hinweis darauf, daß etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte?«
»Bis jetzt noch nicht, Sir. Aber ich habe ein ungutes Gefühl. Meiner Meinung nach …«
»Theorien kann ich ebensogut selbst entwickeln, Mr. Pascoe«, sagte Hiller. Seine Worte kamen leise und kalt wie Schneeflocken. »Sie werden schon mit Mr. Trimble gesprochen haben?«
»Nein, Sir. Noch nicht. Ich habe erst Sie angerufen.«
»Ach.« Der Schnee schmolz ein bißchen und wurde Überraschung. »Richten Sie Chief Inspector Dekker aus, ich wäre für eine Kopie seines Berichts und des Obduktionsergebnisses dankbar, so schnell es ihm möglich ist.«
Das war alles. Kein Anschiß, kein Wutausbruch.
Erleichtert rief er Trimble an, doch es dauerte nur wenige Minuten, und er taumelte unter der vollen Wucht der Wut des kleinen Mannes aus Cornwall.
»Was ich Ihnen eigentlich sagen will, sage ich Ihnen ins Angesicht, Mr. Pascoe!« schrie er auf dem Höhepunkt seines Ausbruchs. »Sie sind morgen um halb zehn in meinem Büro!«
Der Telefonhörer fiel mit einem Krachen, als wäre das Kabel aus der Wand gerissen.
Er wanderte langsam in Miss Marshs Wohnung zurück, die bis auf Dekker leer war.
»Wie war’s?«
»Man kann immer noch auswandern.«
»Dann kann ich dir nur raten, geh nicht nach Amerika. Wenn Andy Dalziel dort drüben ist, steht Yorkshire jetzt mit Sicherheit schon auf der schwarzen Liste. Nun laß den Kopf nicht hängen! Weil du ein Kumpel bist, versiegele ich die Wohnung, als wäre ein Verbrechen begangen worden, aber alles spricht für eine natürliche Todesursache.«
»Wart mal«, sagte Pascoe. Jemand war am Schreibtisch gewesen und hatte die Schublade einen Spalt offengelassen. »Warum sind die Alben weg?«
»Alben?«
»Ja, als ich das letzte Mal hier war, lagen mindestens zwei dicke Alben in der Schublade.«
»Es muß also alles immer unverändert bleiben, wenn du nicht da bist? Sie könnte sie an eine andere Stelle gelegt oder sogar weggeschmissen haben!«
»Nein. Viel zu kostbar. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich umsehe?«
Sie waren nirgendwo.
Dekker sagte ungeduldig: »Okay, wenn jemand die Alben stehlen wollte, muß das ja nicht unbedingt wegen der Fotos gewesen sein. Sonst hätte er ja auch die Bilder im Flur mitnehmen
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