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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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was ihm das große Geld bringen konnte, war er ein Geschäftemacher und Schlitzohr, der das Strandgut am Rande der Legalität einsammelte, sich aber nur gelegentlich die Füße naß machte.
    Das alles konnte Dalziel sich zusammenreimen – nicht, weil er viel über die Unterhaltungsbranche wußte, sondern weil er seit langem die Lebensläufe von Menschen kannte, die sich in der Grauzone gewisser Lebensbereiche zu schaffen machten. Ein guter Hinweis war, daß Waggs es eindeutig nützlich fand, sich legal zweier Namen zu bedienen, und wie häufig er von seinem Recht Gebrauch machte. Mit großer Leichtigkeit bewegte er sich zwischen den beiden hin und her, wobei er im großen und ganzen Petersen bevorzugte. Das änderte sich erst vor drei Jahren.
    Sein Kontostand war niedrig, doch seine Kreditwürdigkeit war in Ordnung. Man hatte ihm den Blinddarm entfernt, und er hatte sich einer teuren kieferorthopädischen Behandlung unterzogen (was war nur mit diesen Menschen und ihren Zähnen los?), er war nicht HIV -positiv, Mitglied der Demokratischen Partei und war nur einmal wegen versuchten Betrugs verurteilt worden (weil er eine Option verkauft hatte, die er nicht besaß – Geldstrafe und Urteil zur Bewährung ausgesetzt). Er hatte verschiedene saftige Verkehrsdelikte auf dem Kerbholz, und dafür, daß er nicht versucht hatte, auf dem privaten Klo des Präsidenten eine Bombe zu legen, war er als ein unglaublich hohes Sicherheitsrisiko eingestuft. Er war unverheiratet.
    Worauf lief das also alles hinaus? Auf nicht allzuviel, dachte Dalziel düster.
    Verdammt nutzlos, diese Computer! Der einzige verschwommene Lichtblick war diese Sicherheitseinstufung, doch nicht alles Licht ist gleichermaßen willkommen, sagte der zum Tode Verurteilte kurz vor dem Morgengrauen.
    Er schob die Informationen über Waggs in seine Tasche und holte Kohlers Bibel heraus. Am Abend zuvor hatte er sie sich schon einmal vorgeknöpft, aber den winzigen Punkten zu folgen war mühselig gewesen, besonders wenn man nichts weiter als die unzusammenhängenden Selbstreflexionen einer Frau geliefert bekam, die kurz davorstand, ihren Verstand zu verlieren. Wenn sie wirklich erstaunliche Geständnisse in der Bibel versteckt hatte, bedurfte es eines ausgeglichenen analytischen Verstandes, um sie ans Tageslicht zu bringen. Jemand wie Wield könnte das machen. Der hatte die Geduld. Oder der kleine Pascoe. Der konnte vielleicht einen Computer dazu einsetzen. Doch er … Er stöhnte, als er an den Umfang der vor ihm liegenden Aufgabe dachte.
    »Beim Herrn, Sie sind in der Tat voller Überraschungen!« Es war wieder einmal der Schaffner. »Da haben Sie aber ein gutes Buch. Ein wirklich gutes Buch.«
    »Ach ja? Sie haben es vermutlich von Anfang bis Ende gelesen?« knurrte Dalziel.
    »Auf dem Schoß meiner Mami. Aber keine Angst, ich bin kein Spielverderber. Ich verrate Ihnen nicht, wie es ausgeht.«
    »Danke. Einen Augenblick, mein Lieber, bevor Sie sich davonmachen. Wenn Sie die Bibel so gut kennen, wie lautet Ihre Lieblingsstelle?«
    »Gute Frage. Da muß ich überlegen. Psalmen. 137 ist mein Lieblingspsalm. An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten.«
    »Danke«, sagte Dalziel und blätterte so lange, bis er die Psalmen gefunden hatte. Die Punkte drängten sich hier dicht an dicht, weil Kohler ihr System verfeinert hatte. Man verlor leicht den Faden, doch er blieb hartnäckig, und eine kurze Weile später breitete sich ein Grinsen über sein Gesicht aus. Wenn die Systeme versagten, verlaß dich auf dein Glück. Wenn die Frauen aufhören zu weinen, erzählen sie dir ihre Lebensgeschichte.
    »Vielen Dank«, sagte Dalziel.
    Den Kopf über die Angelsachsen schüttelnd, setzte der Schaffner seinen Weg fort und überließ den lächelnden Fahrgast seiner Aufgabe. Doch das Lächeln hielt nicht lange vor.
    Um Mitternacht hörte ich, wie das jüngste Kind der Partridges weinte. Ich ging zu ihm und wollte dann Miss Marsh Bescheid sagen. Sie war nicht in ihrem Zimmer. Ich hatte den Eindruck, aus dem Nebenzimmer, wo Tommy schlief, ein Geräusch zu hören. Als würde jemand vor Schmerz aufstöhnen oder Luft holen. Schnell machte ich die Tür auf und sah in das Zimmer. Wollte zuerst meinen Augen nicht glauben. Der Junge lag nackt auf dem Bett, auf ihm kniete mit gespreizten Beinen eine nackte Frau, die seinen Schwanz im Mund hatte. Sie sah mich, stieg herunter und sprach mich an. Bis zu diesem Augenblick hatte ich sie nicht erkannt. Es war

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