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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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ausgepackt hatte, fragte er seinen Körper nach seinen Wünschen und entschied, daß nach der langen Reise ein ordentlicher Spaziergang und frische Luft nicht zu verachten seien. Wie immer mißtraute er körperlicher Ertüchtigung um ihrer selbst willen und beschloß deshalb, sie mit ersten Erkundungen zu verbinden. Er fragte den Mann an der Rezeption nach dem Weg zum Haus Goldener Hain.
    Beeindruckt sagte dieser: »Hübsche Adresse.«
    »Ja, ich weiß, im historischen Viertel«, sagte Dalziel ungeduldig. »Kann ich es zu Fuß erreichen?«
    »Ich denke, Sie werden laufen müssen«, sagte der Mann und warf einen Blick auf seine Uhr.
    Der Sinn dieser Bemerkung ging Dalziel erst auf, als er nach Überquerung der geschäftigen Hauptstraße sah, daß vor ihm der Verkehrslärm und die grelle Straßenbeleuchtung verschwunden waren.
    Noch beunruhigender war, daß die Straße nicht mehr geteert war. Es gab eine Art Beleuchtung, aber die war sehr schwach. Er fragte sich, ob er sich vielleicht verlaufen habe. Er wußte aus dem Kino, wie ein erstklassiges Wohngebiet in Amerika aussah – eine Kreuzung zwischen Ilkley und Babylon –, und die Gegend, in der er gerade war, paßte überhaupt nicht zu dem Bild. Er schöpfte Zuversicht aus dem Anblick anderer Spaziergänger und beschleunigte seinen Schritt, um ein Paar zu überholen.
    »Verzeihung«, sagte er.
    Sie wandten sich um, und seine Zuversicht verpuffte. Die Frau trug ein langes Musselinkleid und eine Haube, wohingegen der Mann Kniehosen und eine Art Lederkasack trug. Sie bedachten ihn sogleich mit dem strahlenden Lächeln von Wanderpredigern, und der Mann sagte: »Fremdling, wie können wir Euch helfen? Ich bin Caleb Fellowes, und dies ist mein angetrautes Weib, Mistress Edwina.«
    Dalziel trat einen Schritt zurück. Er wußte von seiner Lektüre der Regenbogenpresse, daß es in Amerika jede Menge abgefahrener Religionen gab, und er hatte nicht vor, sich von den Loonies oder Moonies oder wie sie sich nun nennen mochten, entführen zu lassen.
    »Nein, ist in Ordnung. Ich finde den Weg«, sagte er.
    »Seid Ihr erst kürzlich aus England gekommen, Sir?« wollte die Frau wissen. »Was für Neuigkeiten gibt es von der Teesteuer? Wie befindet sich König Georg?«
    »Tot«, sagte Dalziel. »Doch seine Frau hält sich noch immer tapfer.«
    Sie sahen ihn verständnislos an, dann brachen sie in ein Lachen aus, das viel vertrauenerweckender war als ihr Willkommenslächeln.
    Fellowes sagte: »Was suchen Sie, mein Lieber?«
    »Ein Haus mit dem Namen Goldener Hain«, sagte Dalziel, noch immer verunsichert.
    »Das Haus der Bellmains? In die Richtung gehen wir auch. Warum begleiten Sie uns nicht?«
    Er klang so normal, daß Dalziel nach anderen Erklärungen für die Kostümierung als religiöse Durchgeknalltheit suchte.
    »Gehen Sie auf eine Party? Oder wird hier ein Film gedreht?«
    »Wissen Sie wirklich nicht Bescheid? Kein Wunder, daß Sie aussehen, als wäre Ihnen ein Gespenst begegnet. Sie sind im Williamsburg der Kolonialzeit, wo alles so ist, wie es vor 200 Jahren war, um die Zeit der Unabhängigkeitserklärung herum.«
    »Heißt das, daß ich mich für Sixpence vollaufen lassen kann?«
    »Teufel, nein, leider nicht«, erwiderte Fellowes und erntete ein entrüstetes Grunzen von seiner Frau.
    »Und Sie wohnen tatsächlich hier?«
    »Meine Familie lebt hier, seit es ein
Hier
gibt«, entgegnete Fellowes stolz.
    »Und die Bellmains?«
    »Dieselbe Geschichte, nur daß sie zu mehr Geld gekommen sind. Sie hatten eine große Plantage unten am James River. Goldener Hain hieß sie, so kam das Haus zu seinem Namen. Golden-Grove-Tabak war der allerbeste.« Er sprach mit der Nostalgie des erst vor kurzem abtrünnig Gewordenen.
    »Plantage? So mit Sklaven und allem Drum und Dran?«
    »Sicher. Ungefähr zur selben Zeit, als in England noch Fünfjährige die Kamine fegen mußten.«
    »Da, wo ich herkomme, schiebt man sie noch immer hinauf«, sagte Dalziel. »Gibt es eine Menge von diesen Bellmains?«
    »Nein. Nur noch Marilou ist übrig. Und ihre Kinder, natürlich, aber die sind englisch, und ich vermute, sie tragen den väterlichen Namen.«
    »Es gibt aber doch einen Mr. Bellmain?«
    »Ihr zweiter Mann. Nach dem, was man so hört, soll er nicht mehr lange zu leben haben.«
    »Cal!« sagte seine Frau vorwurfsvoll.
    »Ist das hier so üblich? Daß der Mann den Namen der Frau annimmt?«
    »Nein. Kann sein, daß sie das Gefühl hatte, beim ersten Mal nicht viel Glück gehabt zu haben, als sie ihn

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