Ins Leben zurückgerufen
eine Schüssel mit brauner Windsorsauce gezogen und von Hand ausgewrungen.
»Ja, sehr hübsch«, sagte Jay Waggs. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Mr. Sempernel?«
»Es gehört Mr. Jacklin, habe ich gehört? Anständig von ihm, Sie hier wohnen zu lassen.«
»Ich gehe davon aus, daß es auf seiner Rechnung auftauchen wird.«
»Was? O ja. Diese Anwälte. Aber es liegt ideal. Vom Sicherheitsstandpunkt aus einfach hervorragend. Nur die eine Fahrspur bis zum Haus. Und dahinter die Mauer. Perfekt.«
Er sah aus dem Fenster in den kleinen rückwärtigen Garten, der von der vier Meter hohen Mauer eines großen Guts begrenzt wurde. Das Haus stand in der U-förmigen Ausbuchtung, für die ein seine Rechte kennender Bauer verantwortlich war.
»Perfekt«, stimmte Waggs zu. »Mauer und Wärter. Cissy fühlt sich so richtig daheim.«
»Haha. Wie komisch. Doch der Wärter, wie Sie ihn nennen, steht natürlich nur da, um die Medienhunde abzuhalten und nicht, um Miss Kohler einzusperren.«
»Sie darf sich also frei bewegen?«
»Aber natürlich. Im Rahmen unserer Vereinbarungen, die Mr. Jacklin Ihnen sicherlich mit großer Genauigkeit auseinandergesetzt hat. Lassen Sie sie mich dennoch rekapitulieren. Miss Kohlers vorzeitige Entlassung …«
»Vorzeitig!«
»In der Tat. Die Regierung Ihrer Majestät hat aus humanitären Gründen zugestimmt, das korrekte rechtliche Verfahren vorwegzunehmen, aber nicht ohne Verpflichtungen Ihrerseits. Diese bestehen im wesentlichen in Miss Kohlers Zustimmung, daß weder sie selbst noch ihre Berater sich in der Öffentlichkeit äußern und auch keine Memoiren in jedwelcher Form über diese unglückliche Angelegenheit veröffentlicht werden, ohne daß die zuständigen Stellen es genehmigen. Als Gegenleistung dafür hat die Regierung Ihrer Majestät zu verstehen gegeben, daß sie sich rechtmäßigen Schadensersatzansprüchen nicht widersetzen wird.«
»Großzügig.«
»In meinen Augen, ja. Miss Kohler hat auch zugestimmt, in diesem Land zu bleiben, bis die offiziellen Ermittlungen über das Zustandekommen dieses bedauerlichen Justizirrtums abgeschlossen sind.«
»Was Jahre dauern kann!«
»Nein. Ich versichere Ihnen, daß die Sache schnell abgewickelt wird. Der stellvertretende Polizeipräsident Hiller, den Sie kennengelernt haben, hat die Ermittlungen in die Hand genommen, und wir erwarten einen raschen Abschluß. Übrigens hat Mr. Hiller mich darauf hingewiesen, daß sich das Verfahren beschleunigen würde und weitere Vernehmungen überflüssig würden, wenn Miss Kohler zufällig schriftliche Aufzeichnungen über die Ereignisse in Mickledore Hall hätte und ihm leihweise zur Verfügung stellen könnte.«
Waggs lachte.
»Nun aber mal langsam, Sempernel! Sie wissen doch, daß es keine Aufzeichnungen gibt. Schließlich sind Ihre Leute, bevor Miss Kohler entlassen wurde, wie ein Rudel Ratten über ihre Zelle hergefallen.«
Der Lange lächelte dünn.
»Die Presse scheint davon auszugehen, daß sie einen Verbündeten hatte, mit dessen Hilfe sie ihre Memoiren aus dem Gefängnis geschmuggelt hat.«
»Jemanden wie mich, wollen Sie sagen? Nun, ich leugne nicht, daß ich gern behilflich gewesen wäre, wenn sich mir die Gelegenheit geboten hätte. Aber das war leider nicht der Fall.«
»Wenn Sie das sagen, Mr. Waggs, bin ich damit zufrieden«, sagte Sempernel. »Es gibt natürlich andere Möglichkeiten. Sie saß immerhin eine lange Zeit ein und konnte es kaum vermeiden, daß sich Beziehungen entwickelten. Die unglückselige Miss Bush, beispielsweise …«
»Das war lange vor meiner Zeit«, sagte Waggs. »Die einzigen Memoiren, von denen ich weiß, befinden sich in Cissys Kopf, und ich habe keine Ahnung, wie leicht oder schwer es sein wird, sie da herauszuholen.«
»Ach ja? Bisher waren Sie jedenfalls sehr erfolgreich«, murmelte Sempernel. »Ruhe und Zeit heilen alle Wunden. Hier steht Ihnen beides zur Verfügung. Genießen Sie es.«
Er wandte sich zur Tür und duckte sich, um dem schiefen Türsturz auszuweichen. Als er darunter stand, hielt er inne. Er sah aus wie Alice im Haus des Weißen Kaninchens.
»Noch eine letzte Sache«, sagte er. »Jacklin hat hoffentlich klargemacht, daß die Begnadigung sich nur auf den Fall Mickledore Hall bezieht. Was die Tötung von Daphne Bush betrifft, besteht keinerlei Zweifel an Miss Kohlers Schuld. Ihre Strafe in dieser Sache ist deshalb nur zur Bewährung ausgesetzt, und jede Verletzung der Auflagen wird die Bewährung verwirken.«
»Sie
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