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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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dem Wochenende, als es dir so schlechtging, weißt du noch? Man hat dich in aller Eile ins Krankenhaus gebracht, und ich mußte den besorgten Sohn spielen. Komisch war, daß ich mir wirklich Sorgen machte. Ich sollte ein paar Sachen zusammenpacken und zu dir ins Krankenhaus bringen, während deine richtige Familie an deinem Bett saß. Das kam einer Genehmigung zum Stöbern gleich, also stöberte ich. Brauche ich dafür eine Entschuldigung? Ich könnte sagen, ich hätte nach Erinnerungsstücken von meiner Mutter gesucht. Und ich wurde mehr als fündig. Cissys Brief. Zerknittert und verblichen und auch nicht gerade glasklar, aber ich kapierte, worum es ging. Erstens hattest du mit deinem hübschen kleinen Kindermädchen hinter dem Rücken meiner Mutter rumgevögelt. Und zweitens, und das hat mich wirklich umgehauen, ging sie davon aus, daß du meine Mutter in der Waffenkammer von Mickledore Hall umgelegt hast.«
    Er hielt inne. Um Atem zu holen oder um des dramatischen Effekts willen, es spielte keine Rolle, warum.
    Alle Augen waren auf Westropp gerichtet. Selbst Marilou hatte die Hände von seinen Schultern genommen und einen Schritt zur Seite getan, als ob auch sie sein Gesicht sehen müsse.
    Er sagte: »Wenn du geglaubt hast, was in dem Brief stand, lieber Junge, warum zieht sich dann mein Tod so endlos in die Länge?«
    »Gute Frage. Mein erster Impuls war, zum Krankenhaus zu stürzen und dir die Wahrheit zu entreißen, aber als ich ankam, hatten die Profis bereits an dir herumgerissen. Als es dir wieder gut genug ging, hatte ich Zeit zum Nachdenken gehabt. Was hatte ich in der Hand? Die hysterischen Ergüsse einer Frau, die lebenslänglich in einem britischen Gefängnis eingelocht war. Wußte ich, ob sie nicht auch Briefe an den König von Siam schrieb? Ich mußte mich persönlich überzeugen, wie wahnsinnig oder wie vernünftig sie war. Aber wie zum Teufel kam ich an sie ran? Und dann griff Gott auf mysteriöse Weise ein.«
    Er warf Dalziel einen kurzen Blick zu und sagte: »Es war tatsächlich so, wie ich heute morgen gesagt habe. Ich war so mit meinem Stiefvater beschäftigt, daß ich vergaß, mich zu verstecken, und die Schläger von Hesperides mich aufgriffen. Man muß sich nach der Decke strecken. Ich hörte mir dabei zu, wie ich ihnen die Story verkaufen wollte. Am Anfang aus schierer Verzweiflung, doch dann fing ich an, selbst davon überzeugt zu sein. Es mußte so klingen, als wäre ich wirklich eingeweiht, aber ich wollte meine Mutter nicht hineinziehen, also habe ich behauptet, mit Cissy verwandt zu sein. Und sie haben es mir abgenommen! Und so wie die Dinge stehen, sind sie überzeugt, daß sich ihre Investition lohnt. Ich habe sie mir vom Leib gehalten, indem ich sie davon überzeugt habe, wir müßten abwarten, was am Ende dabei herauskommt. Darauf kommt es doch wohl bei einer Geschichte an! Das hält die Kleinen davon ab, mit den Popcorntüten zu knistern oder in den Autokinos zu vögeln. Seht uns hier an! Niemand geht, bevor nicht der Abspann kommt. Das ist deine große Szene, Stiefpapa. Wie spielst du sie?«
    Wieder waren alle Augen auf Westropp gerichtet. Dalziel ertappte sich, wie er dachte: Das wäre wirklich ein großartiger Film. Dann dachte er: Jesusmaria! Halt die Hand auf der Brieftasche, solange dieser junge Mann im Zimmer ist!
    Westropp sah wie ein Mensch aus, der in jeder Hinsicht trocken war. Die Augen in dem faltigen Gesicht zogen an den erwartungsvollen Augen seiner Zuhörer entlang, berührten sie, aber blieben bei keinem hängen. Schließlich richteten sie sich aufs Telefon und blieben dort haften.
    Es wird läuten, dachte Dalziel. Bevor ich bis drei gezählt habe.
    Eins … zwei … drei …
    Scheiße, dachte Dalziel.
    Das Telefon läutete.

Fünf
    »Es ist vor ihr geheimgehalten worden, und ich hoffe, sie soll nie etwas davon erfahren. Nur ich weiß davon und eine andere Person, der man trauen darf.«
    M arilou Bellmain nahm schließlich den Hörer ab.
    »Hallo? Hören Sie, könnten Sie …?«
    Wer auch immer am Apparat war, er konnte eindeutig nicht. Von gewichtigen Worten mundtot gemacht, verstummte Marilou, lauschte und sagte dann zu ihrem Mann: »Es ist Scott Rampling. Er sagt, er müsse unbedingt mit dir sprechen.«
    »In diesem Fall …«, erwiderte Westropp.
    Mit einem entschuldigenden Blick in die Runde, als sei ein vergnüglicher Aperitif vor dem Mittagessen unterbrochen worden, sagte er: »Habt ihr etwas dagegen …?«
    Waggs sah aus, als hätte er sehr viel

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